IV. »Maximus artifex statuarum«:
Im Wettstreit mit Polyklet
1. Polyklet in der Vorstellung des Tre- und Quattrocento1
»Polycletus, qui statuarius maximus fuit«: Der lapidare Eintrag Niccolö
Perottis in seinem Lexikon Cornucopiae affirmierte in den 1470er Jahren
zum letzten Mal die im Tre- und früheren Quattrocento gültige communis
opinio zur Rangfolge der antiken griechischen Bildhauer. Gegenüber Poly-
klet deutlich zurückgestuft apostrophierte Perotti den Myron als elegans,
Praxiteles als nobilissimus, Pythodorus als eximius, Phidias dagegen, ob-
wohl in den antiken Quellen der meistgenannte Künstler, wurde keiner
Erwähnung für würdig erachtet.2 3 Bereits in Cristoforo Landinos 1481
publiziertem Kommentar zu Dantes Göttlicher Komödie, dessen großer
Einfluß allein schon die editio princeps durch eine bis 1484 gedruckte Auf-
lage von 1200 Exemplaren garantierte, figurierte Polyklet dagegen nur
mehr als ein Vertreter aus der Schar der optimi sciiltorid Alle früheren
Dante-Kommentatoren hatten noch einstimmig versichert, Polyklet sei un-
angefochten der »größte Bildhauer« der Antike gewesen, »einen größeren
Bildhauer hat es nie gegeben«.4 Um die Wende zum 16. Jh. korrigierte und
1 Die Bedeutung Polyklets für das Quattrocento verfolgte erstmals Schlosser 1903
und Schlosser 1941; letzte Zusammenfassungen zum Polykletbild der frühen Neuzeit bei
Zöllner 1990 und Pfisterer 1999; ergänzend Bober 1995. - Zur Entdeckung und Aus-
einandersetzung mit antik-griechischer Kunst insgesamt Beschi 1986; eingeschränkt Bar-
kan 1999. - Spätere Auseinandersetzungen mit Polyklet deutet Antonio Giuliano an (»Ber-
nini e Policleto«, in: Kotinos. Festschrift für Erika Simon, hg. Heide Froning u.a., Mainz
1992, 461 f.).
2 Perotti, Cornucopiae, fol. 58; fol. 236; fol. 297; fol. 488 (der Text zu Polyklet im
App. C, 64, die anderen bei Pfisterer 1999, Dokument 9); vgl. zu Perottis Einschätzung
des Polyklet auch seinen nicht gedruckten Kommentar zu Silva II, 2, 67, des Statius (s. App.
C, 63). - Dagegen stellt Palmieri, Vita Civile (s. App. C, 34) in Abwandlung eines Argu-
ments aus Cicero, Orator, 5, Phidias vor Polyklet (um 1435). - Zu Phidias als dem meist-
genannten Künstler der Antike Zöllner 1990, 452.
3 Landino, Commento (s. App. C, 75). - Vgl. das 1480 erschienene Wörterbuch des
Maius, De proprietate (der Text zu Polyklet im App. C, 71, die anderen bei Pfisterer
1999, Dokument 11).
4 Die beiden Zitate aus Benvenuto, Commentum und dem Ottimo Commento
(s. App. C, 15 und 7). - Vgl. die Wertung im frühesten mir bekannten Lexikon (um 1400),
das Künstlernamen unter seine Stichworte aufnimmt, Domenico di Bandino, Fons,
fol. [321v]; fol. [309v]; fol. [235v] (der Text zu Polyklet im App.C, 21, die anderen bei
Pfisterer 1999, Dokument 4).
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Im Wettstreit mit Polyklet
1. Polyklet in der Vorstellung des Tre- und Quattrocento1
»Polycletus, qui statuarius maximus fuit«: Der lapidare Eintrag Niccolö
Perottis in seinem Lexikon Cornucopiae affirmierte in den 1470er Jahren
zum letzten Mal die im Tre- und früheren Quattrocento gültige communis
opinio zur Rangfolge der antiken griechischen Bildhauer. Gegenüber Poly-
klet deutlich zurückgestuft apostrophierte Perotti den Myron als elegans,
Praxiteles als nobilissimus, Pythodorus als eximius, Phidias dagegen, ob-
wohl in den antiken Quellen der meistgenannte Künstler, wurde keiner
Erwähnung für würdig erachtet.2 3 Bereits in Cristoforo Landinos 1481
publiziertem Kommentar zu Dantes Göttlicher Komödie, dessen großer
Einfluß allein schon die editio princeps durch eine bis 1484 gedruckte Auf-
lage von 1200 Exemplaren garantierte, figurierte Polyklet dagegen nur
mehr als ein Vertreter aus der Schar der optimi sciiltorid Alle früheren
Dante-Kommentatoren hatten noch einstimmig versichert, Polyklet sei un-
angefochten der »größte Bildhauer« der Antike gewesen, »einen größeren
Bildhauer hat es nie gegeben«.4 Um die Wende zum 16. Jh. korrigierte und
1 Die Bedeutung Polyklets für das Quattrocento verfolgte erstmals Schlosser 1903
und Schlosser 1941; letzte Zusammenfassungen zum Polykletbild der frühen Neuzeit bei
Zöllner 1990 und Pfisterer 1999; ergänzend Bober 1995. - Zur Entdeckung und Aus-
einandersetzung mit antik-griechischer Kunst insgesamt Beschi 1986; eingeschränkt Bar-
kan 1999. - Spätere Auseinandersetzungen mit Polyklet deutet Antonio Giuliano an (»Ber-
nini e Policleto«, in: Kotinos. Festschrift für Erika Simon, hg. Heide Froning u.a., Mainz
1992, 461 f.).
2 Perotti, Cornucopiae, fol. 58; fol. 236; fol. 297; fol. 488 (der Text zu Polyklet im
App. C, 64, die anderen bei Pfisterer 1999, Dokument 9); vgl. zu Perottis Einschätzung
des Polyklet auch seinen nicht gedruckten Kommentar zu Silva II, 2, 67, des Statius (s. App.
C, 63). - Dagegen stellt Palmieri, Vita Civile (s. App. C, 34) in Abwandlung eines Argu-
ments aus Cicero, Orator, 5, Phidias vor Polyklet (um 1435). - Zu Phidias als dem meist-
genannten Künstler der Antike Zöllner 1990, 452.
3 Landino, Commento (s. App. C, 75). - Vgl. das 1480 erschienene Wörterbuch des
Maius, De proprietate (der Text zu Polyklet im App. C, 71, die anderen bei Pfisterer
1999, Dokument 11).
4 Die beiden Zitate aus Benvenuto, Commentum und dem Ottimo Commento
(s. App. C, 15 und 7). - Vgl. die Wertung im frühesten mir bekannten Lexikon (um 1400),
das Künstlernamen unter seine Stichworte aufnimmt, Domenico di Bandino, Fons,
fol. [321v]; fol. [309v]; fol. [235v] (der Text zu Polyklet im App.C, 21, die anderen bei
Pfisterer 1999, Dokument 4).
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