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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0133

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|Man sieht dort] eine Vielfalt von Bildern vortrefflicher Dinge, welche die
gebildeten und über dem Gewöhnlichen stehenden Betrachter nicht allein
aufgrund der herausragenden Kunstfertigkeit der Steinmetze und Bild-
hauer, sondern genauso durch die thematische Vorgabe, deren Darstel-
lungsformen von dir, dem scharfsinnigsten und zweifellos berühmtesten
Fürsten dieses Jahrhunderts, aus den verborgenen Tiefen der Philosophie
eruiert wurden, auf’s Höchste zu faszinieren vermögen.46
Der Kunstfertigkeit (artificium), d. h. der praktischen Ausführung durch die
Bildhauer, wird die thematische Vorgabe (cognitio formarum), die der Fürst
angeblich selbst entworfen habe, gegenübergestellt.47 Der Wert des Kunst-
werks besteht mindestens zur Hälfte in seiner aus den Schriften entlegener
»Philosophen* zusammengestellten Ikonographie, die den Gebildeten und
nur ihn in höchstem Maße ergötzt. Entsprechend hätte Donatellos sog.
Amor-Atys mit seiner Vielzahl von Attributen die Bildung der Betrachter
herausgefordert. Schwer vorstellbar, er hätte dieser Erwartungshaltung
bewußt keine Auflösung geboten. Versuchen wir also nochmals, der zeit-
genössischen cognitio formarum angesichts der Bronze-Statue Donatellos
und, möglicherweise damit zusammenhängend, der frühen Puttendarstel-
lungen insgesamt auf die Spur zu kommen.
3. Putto oder spiritello?
Einen ersten Anhaltspunkt für das Verständnis mag die zeitgenössische Be-
zeichnung dieser kleinen Kinder bieten. Wenn Bode nämlich definiert: »Der
italienische Putto ist keineswegs gleichbedeutend mit unserem deutschen
>Kind<, ebensowenig würden die Bezeichnungen Knabe, Engel oder Genius
dafür völlig zutreffend sein. Der Putto ist vielmehr ein Begriff, der spezifisch
italienisch ist und auch in Italien erst im Quattrocento aufkommt und nur
im Quattrocento recht eigentlich beheimatet ist«, so trifft dies für die klei-
nen Knäblein Donatellos gerade nicht zu.48
46 Roberto Valturio, De re militaria, 1472: »[...] permultarum nobilium rerum imagi-
nes, quae nedum praeclaro lapicidae ac sculptoris artificio, sed etiam cognitione formarum,
lineamentis abs te acutissimo et sine ulla dubitatione clarissimo huius seculi principe ex
abditis philosophiae penetralibus sumptis, intuentes litterarum peritos et a vulgo fere peni-
tus alienos maxime possint allicere.« - Vgl. bereits Warburg 1932, Bd.l, 12.
47 Unter dem Begriff forma verstehen mythographische Schriften nicht die formale
Qualität der künstlerischen Ausarbeitung, sondern die äußere Gestalt oder Erscheinungs-
form insgesamt, welche auch die Attribute mit einschließt; d. h. unter forma fallen die iko-
nographischen Merkmale der antiken Götter (s. zuletzt zu diesem Begriff Kokole 1996,
177-180).
48 Bode 1890, 97. - Zuletzt lapidar das Lexikon der Kunst, Bd. 5, Leipzig 1993, 807,

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