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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0055

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soll der Vergleich zutreffen - auch zwischen sich, Cavalcanti und Guinizelli
einen ähnlichen Stilwandel postulieren. Nun scheint er aber diese beiden
gerade nicht unter die Vertreter der alten, sondern zu den unmittelbaren
Vorläufern der neuen Dichtkunst, des dolce Stil nuovo zu rechnen.51 Wie
Dante deren Errungenschaften aufnimmt und perfektioniert, so erscheint
auch Giottos Kunst nur als verbesserte Fortsetzung, nicht radikale Form-
Erneuerung gegenüber der Cimabues. Nicht Stilwandel, sondern ausschließ-
lich der ehrgeizige Wettstreit unter Künstlern, die hochmütige Selbstüber-
schätzung, das Laster der superbia, wird also an dieser Stelle thematisiert.52
Noch als einige Jahrzehnte später Antonio Pucci in seinem Centiloquio
anläßlich der Beschreibung des Florentiner Campanile den Begriff stilo
dann explizit auf die Bildenden Künste anwandte, verstand er ihn nicht als
Bezeichnung einer formalen Eigentümlichkeit, sondern im absoluten Sinne
von guter, schöner Machart: »Per maestro Giotto, dipintor sottile, / II quäl
condusse tanto il lavorio / Ch’e primi intagli fe’ con bello Stile.«53
2. Individualstil
Die »Geburtswehem des Individualstils seien erst - so Martin Warnke - mit
der Freskierung der Ovetari-Kapelle in der Paduaner Eremitani-Kirche in
die kritische Phase gelangt.'’4 Von den ursprünglich involvierten vier Malern
war nach neunjähriger Arbeit 1457 nur mehr Andrea Mantegna am Leben.
Antonio Vivarini und Giovanni d’Alemagna waren noch ganz zu Beginn des
Unternehmens verstorben, Niccolo Pizzolo wenig später 1454. Welche der
durch die Todesfälle mehrfach weitervergebenen Partien der Ausmalung
stammten nun tatsächlich von Mantegna, wieviel Lohn durfte er recht-
51 Vgl. Dante, Purg., XXVI, 97-99 und Inf., X, 60 sowie den »gradus constructionis
excellentissimus« in De uulgari eloquentia, II, 6, 6; insgesamt ED, ßd. 5, 1976, »Stil nuovo«.
Noch im späteren 15. Jh. versteht Corella, Theotocon, III bei einem Vergleich mit
Fra Angelico diese Stelle einzig im Hinblick auf den Ruhm: »Angelicus pictor quam finxe-
rat ante lohannes. / Nomine, non lotto non Cimabove minor, / Quorum fama fuit Tyrrhenas
clara per urbes, / Ut dulci Dantes ore poeta canit.«
Nach Kreytenberg 1984, 181.
'4 Warnke 1982. - Sauerländer 1983, 257f., findet schriftliche Belege für Individu-
alstil erst im Cinquecento, z. ß. bei Baldassare Castiglione, II libro del Cortegiano: »Eccovi
ehe nella pittura sono eccellentissimi Leonardo Vincio, il Mantegna, Rafaello, Michel
Angelo, Giorgio da Castelfranco: nientedimeno tutti son tra se nel far dissimili; di modo ehe
ad alctin di loro non par ehe manchi cosa alcuna in quella maniera, perche si conosce cias-
cun nel suo Stile essere perfettissimo.« Der Abschnitt zum «Stilbegriff in der Kunsttheorie«
in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. Joachim Ritter und Karlfried Gründer,
Bd. 10, Darmstadt 1998, 155 f., nennt sogar erst Lomazzo als ersten Nachweis.

2. Individualstil 55
 
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