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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0046

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religiöse Kontinuität und Legitimation dokumentiert werden. Die Schrift-
quellen betonen daher höchstens ihr altertümliches Aussehen.21
Differenziertere Aussagen sind sehr selten. Abt Suger spricht einmal vom
Zusammenstimmen und dem Zusammenhang zwischen den Säulen der
alten Kirche und denen seines neuen Anbaus (»convenientia et cohaerentia
antiqui et novi operis«), womit sich ansatzweise ein Empfinden für ver-
schiedene Formensprachen artikuliert. Auch sonst scheinen gerade die
Unterschiede zwischen alten und neuen Säulen besonders ins Auge gefallen
zu sein.22 Und wenn die Generalkonstitutionen der Franziskaner zwischen
1260 und 1316 für den Kirchenbau präzisieren, daß man die örtlichen
Usanzen berücksichtigen solle, so bezeugt dies indirekt, daß man nun zu-
nehmend lokale Unterschiede der Architektur und Kunst wahrnahm.2’ So
klassifizieren auch die einzigen tatsächlichen Stilbezeichnungen des Mittel-
alters Kunstwerke nach ihrer Herkunft: »opere Graeco«, »opere Limo-
ceno«, »mos romanum« etc. Es sind grobe Kategorien für Produktgruppen
mit überdeutlichen Charakteristika wie den Cosmatenarbeiten oder Email
aus Limoges, wobei noch nicht einmal gesagt sein muß, daß die Benennung
nur oder primär auf eine ästhetische Qualität zielt und nicht auch die her-
stellungstechnischen Besonderheiten meint.24 Das Paradebeispiel: der erst-
mals ca. 1280 bei Burchard von Worms belegte Begriff des optts francige-
num muß wohl - wie Günther Binding jüngst nochmals argumentiert hat -
primär als terminus technicus für die neuen (arbeitssparenden), von der 11c
de France ausgehenden Errungenschaften der Steinbearbeitung gelten und
darf nicht in modernem Sinne als >gotisch< verstanden werden.2’ Eine um-
21 VgL die Beispiele bei Ernst Kitzinger, »A Virgin's face: antiquarianism in twelfth-
century art«, in: Art Bulletin, 62 (1980), 6-19, und - für die Toskana - Bruce Cole, »Old
in new in the early Trecento«, in: Mitt. Florenz, 17 (1973), 229-248; zusammenfassend
Belting 1990.
22 Zu Suger: Erwin Panofsky, Abbot Suger: On the ahbey church of St. Denis and its
art treasures, Princeton 1946, 90f. - Für Hirsau im 12. Jh.: »in modum veterum ecclesiarum
sine columnarum sustentaculo« (van der Grinten 1969, Nr. 49). In der Vita Notgeri heißt
es zu Säulen: »comparationem prioris et posterioris templi |...| offerre possunt«. - Insge-
samt Madeline H. Caviness, »>De convenientia et cohaerentia antiqui et novi operis«.
Medieva! Conservation, restoration, pastiche and forgery«, in: Intuition und Kunstwissen-
schaft, Festschrift für Hanns Swarzenski, hg. Peter Bloch u.a., Berlin 1973, 205-221;
Bruno Klein, »Convenientia et cohaerentia antiqui et novi opus: ancien et nouveau aux
dehuts de l’architecture gotique«, in: Pierre, lumiere, couleur. Etudes d'histoire de Part du
Moyen Age en l'honneur de Anne Prache, hg. Fabienne Joubert und Dany Sandron, Paris
1999, 19-32.
21 Antonio Cadei, »Secundum loci conditionem et morem patriae«, in: Quaderni
dell'lstituto di Storia dell'Architettura (Saggi in onore di Renato Bonelli), N. S. 15-20
(1990-1992), 135-142.
24 van der Grinten 1969, 5-17.

46 II. Stilbewusstsein I
 
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