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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0220

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sei.100 Seinem Charakter als demonstrativem »Kunststück« entsprechend
wäre es daher gut von Anfang an in der Medici-Sammlung denkbar, sei es
als Auftragswerk, sei es als Geschenk des Künstlers dorthin gelangt. Es
würde sich um eines der frühesten Beispiele für die Entwicklung hin zu
»autonomer Kunst« handeln.101
Während seitdem die Frage nach den Vorbildern der Figuren und Archi-
tektur, der Perspektivkonstruktion und dem Abhängigkeitsverhältnis zwi-
schen Donatello und Alberti - wem kommt Priorität für welche Ideen zu? -
in der Literatur ausgiebig diskutiert wurde, erschöpfte sich das Interesse an
der historia selbst mit dem allgemeinen Hinweis auf Albertis Theorien. Ja,
die supponierte »Theorielastigkeit« der Komposition mußte als Entschuldi-
gung dafür herhalten, daß die Darstellung und die den Betrachter affizie-
rende Wirkung gegenüber Donatellos früherem Sieneser Bronzerelief an
unmittelbarer Kraft verloren zu haben schien.102 Dabei sollte es Donatello
bei seiner zweiten Version des Themas gerade um die kunstvolle Steigerung
dieser Affektwirkung gehen!
»Figurae« - künstliche Pathosfiguren
Alberti konstatierte, daß eine historia den Betrachter nur dann innerlich
bewege und affiziere (movere), wenn die Bildakteure ihre charakterliche
und emotionale Disposition überdeutlich (maxime bzw. molto) in den Kör-
perbewegungen veranschaulichten, der Zustand des Inneren am gesamten
100 Die Verbindung mir Albertis Malereitraktat bei Kauffmann 1935, 63-67, und
Seymour 1968.
1(11 Vgl. die Einschärzungen von Volker Herzner in: Donatello e i suoi 1986, 140f.;
POESCHKE 1990, 105 (»als selbständiges künstlerisches Paradigma einer sroria, als künst-
lerisches Demonstrationsstück gleichsam, geschaffen«), und Rosenauer 1993, I6J (»ri-
lievo autonomo |...] realizzato per la Kimstkammer di un conoscitore«). - Grundlegend für
die Frage allgemein Jacob Burckhardt, »Die Sammler«, in: ders., Beiträge zur Kunst-
geschichte von Italien, Basel 1898; neuerdings Michael Müller, »Künstlerische und mate-
rielle Produktion. Zur Autonomie der Kunst in der italienischen Renaissance«, in: Autono-
mie der Kunst, hg. Michael Müller, Horst Bredekamp u.a., Frankfurt a. M 1972, 9-87;
Werner Busch, »Die Autonomie der Kunst«, in: Kunst - Die Geschichte ihrer Funktionen,
hg. Werner Busch und Peter Schmook, Weinheim und Berlin 1987, 178-203. - Daß sich
»Kunststück« und religiöse Devotion nicht ausschließen, zeigen noch die späteren Bsp. Belli-
nis, Michelangelos und Cellinis, dazu Hans Belting, Giovanni Bellini - Pieta, Frankfurt
a. M. I 985, und Irving Lavin, »»The sculptor’s »last will and testament««, in: Allen Memorial
Art Museum Bulletin, 35 (1977-78), 4-39.
102 Etwa Rosenauer 1993, 158-161: »Rispetto a Siena, qui Pintensitä del racconto e
smorzata. [...] In questo rilievo, dove sembra comparire il maggior numero possibile di
figure nella varietä dei loro aspetti esteriori, Donatello pare essersi sforzato di dimostrare la
sua maestria nella rappresentazione della figura umana.« - Vgl. ähnlich Charles Avery,
»Donatello’s marble narrative reliefs«, in: Le Vie del Marino, hg. Amedeo Mercurio, Flo-
renz 1994, 7-16, hier 8f.

220 IV. »Maximus artifex statuarum
 
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