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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0311

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frei heraus zu sagen, daß wir nicht den Eindruck erwecken, als freie Men-
schen etwas verschweigen zu müssen. [...] Den Bürgern Etruriens näm-
lich ist aufgrund ihrer uralten Freiheit vieles zu sagen und dann auch zu
tun erlaubt, was den Gebildeten unter einer Tyrannenherrschaft wohl
allzu zügellos und unbeherrscht scheinen mag.106
Mit seinen Libri della famiglia intendierte Alberti, in der Praxis einen neuen
Standard, ein neues Modell dafür zu setzen, wie dieses dem Latein eben-
bürtige Volgare auszusehen habe. Sein intensives Bemühen um den Floren-
tiner Dialekt, den er nach eigenem Bekunden nach dem Ende des Exils erst
mühsam erlernen mußte, zeigt sich auch daran, daß von zwei Spätschriften
abgesehen seine gesamte volkssprachliche Produktion in den Zeitraum zwi-
schen 1428 und 1443 fällt.107
Vor diesem Hintergrund nun ist ein berühmtes Streitgespräch zu sehen,
das sich zu Anfang des Jahres 1435 in der anticamera des nach Florenz
übergesiedelten Papstes Eugen IV. unter den anwesenden Humanisten und
Sekretären abspielte - genannt werden Antonio Loschi, Poggio Bracciolini,
Cinzio Romano, Andrea Fiorentino, Leonardo Bruni und Flavio Biondo.108
Zur Debatte stand die Frage nach den im antiken Rom gesprochenen Spra-
chen. In Analogie zu den zeitgenössischen Verhältnissen des primo Quattro-
cento, da die gebildete Oberschicht Latein, das einfache Volk nur Volgare
beherrschte, wurde eine entsprechende Zweisprachigkeit auch für die klas-
sische Vergangenheit diskutiert.109 Wer bei dieser Auseinandersetzung wel-
1(16 Alberti, De Commodis, § 11—20, entstanden wohl 1428/29 im Zusammenhang
mit dem ersten Florenzaufenthalt: »An vero in senatu quia grammaticem nesciam, senten-
tia et vota minus nostra quam litterati valebunt? Libera nobis est civitas, liber animus, liceat
sane nostra materna inter nos lingua loqui, atque ea quidem sic loquamur libere, ut invicti
tacuisse nihil videamur. [...] Hetruscis enim civibus ob antiquissimam libertatem multa cum
dicere, tum etiam facere licet que apud tyrannos educatis nimium solute fortassis et intem-
peranter facta viderentur.« - Siehe die Überlegungen von John Oppel, »Alberti on the social
Position of the intellectual«, in: Journal of Medieval and Renaissance Studies, 19 (1989),
123-158.
107 Vgl. Albertis eigene Äußerungen in seiner anonym verfaßten Vita; zusammenfas-
send Luigi Trenti, »Libri de Familia di Leon Battista Alberti«, in: Letteratura italiana, Le
opere, hg. Alberto Asor Rosa, Bd. 1, Turin 1992, 635-646. Bei den zwischen 1428 und
1443 entstandenen Volgare-Schriften handelt es sich neben den Libri della Famiglia v. a. um
Deiphira, Ecatonfilea, die Poesie, Sofrona, Villa, Teogenio (im Vorwort wird das Latein-
Volgare-Problem thematisiert) sowie die Profugiorum ab aerumna libri; die zwei Spät-
schriften sind De Iciarchia und die Cena familiaris.
108 Vgl. die Liste im Brief Biondos an Bruni (nach Tavoni 1984, 198); zur Person
Loschis neuerdings G. Gualdo, »Antonio Loschi, segretario apostolico (1406-1436)«, in:
Archiuio Storico Italiano, 1989, 749-769; zu Poggio auch liro Kajanto, Poggio Bracciolini
and classicism, Helsinki 1987.
109 »Magna est apud doctos aetatis nostrae hominis altercatio, et cui saepenumero
interfuerim contentio, materno ne et passim apud rudern indoctamque multitudinem aetate

4. Alberti in Florenz, ca. 1428-1443 311
 
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