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Pfisterer, Ulrich; Donatello
Donatello und die Entdeckung der Stile: 1430-1445 — München: Hirmer Verlag, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.57354#0373

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tion. Sie schließt so gut an das bislang zur Deutung Gesagte an, daß man
kaum an einen Zufall glauben mag. Jedem einigermaßen bibelfesten Besu-
cher wäre beim Betreten des Hofes eines der Gleichnisse Jesu bei Lukas 9,
21 ff. in den Sinn gekommen (daß diese Verbindung nahelag, belegt Fran-
cesco Maria Grapaldis 1494 erschienene Abhandlung zu den einzelnen Tei-
len des antiken Hauses, wo unter dem Stichwort >Atrium< gleich zu Beginn
diese Bibelstelle zitiert wird’):
Wenn der Starke bewaffnet seinen Hof fatrium] bewacht, dann ist sein
Besitz in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer als er über ihn kommt und ihn
überwindet, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verlassen
hatte, und verteilt seine Beute.126
Die Glossa ordinaria erläutert, daß mit dem Stärkeren Christus gemeint
sei, der Satanas superhus besiege. Der Teufel unterliege trotz seiner Bewaff-
nung, da seine weltlichen Reiche untereinander zerstritten und uneins
seien.127 Bernhardin hatte eine gesamte Predigt gegen das Unwesen der Par-
teienbildung und ihrer Abzeichen unter das Motto aus Lukas: Cum fortis
armatus... gestellt.128 Da auch David über Goliath superhus als Bild für
Christus über dem besiegten Bösen stand, da auch Goliath seine Rüstung
und Waffen nichts genützt hatten, da schließlich auch David mit den Wor-
ten Bernhardins für pace c unione della cittd eintrat, ließ sich leicht die Ver-
bindung zwischen beiden Passagen ziehen.129
Als Vermutung formuliert: Die vorbildlose Idee, den Bronze-David im
Zentrum des Palasthofes sozusagen als Wächter und Sieger über den Hoch-
mut aufzustellen, ließe sich unter Berufung auf Lukas 9 am besten erklären.
Die Botschaft der Statue wäre dann noch zu präzisieren: Friede und Wohl-
stand einer Stadt resultieren aus ihrer inneren (politischen) Geschlossenheit.
126 »Cum fortis armatus custodit atrium suum: in pace sunt ea quae possidet. Si autem
fortior illo superveniens vicerit eum Universa eius arma auferet in quibus confidebat et spo-
lia eius distribuet.« - Grapaldi, De partibus aedium, fol.6v: »Atrium primus aedes adi-
tus: Vitruvius: in urbe atria proxima ianuis esse debent: ruri a pseudourbanis statim peri-
stylia: Lucae .XL Cum fortis armatus custodit atrium suum in pace sunt ea quae possidet:
L
12 Vgl. die Glossa ordinaria a. I. (Bel. 4, foL 132); vgl. Giovanni di San Gimigniano,
Summa, Üb. IX, cap. lii, fol. 357r. - Augustinus, Serrno CV (nach PL 38, 618-625) bezieht
die Stelle auf den Untergang des römischen Reiches und der heidnischen Idole.
I2S Bernhardin von Siena, Sermo XXVI >Contra insignia distinguentia inter partes*
(Bernardinus, Opera, Bd. 1, 321-332), die Dat. läßt sich nicht präzisieren, Schlußredak-
tion vor 1436; Luk. 9 zitiert auch Traversari, Epistolae, Bd. 2, 635.
129 Allerdings ist diese Verbindung in der mittelalterlichen Exegese nur selten nachzu-
weisen, vgL Rupertus Abbas Tuitiensis, De trinitate et operibus eins libri XH-ln Reg. Hb.
//, cap. ii-vi (nach PL 167, 1098-1103, v. a. cap.iii, 1099B): »Sed non fuit ex illis quisque
adeo fortis ut destruere posset regnum peccati et mortis, ut posset armis justitiae suae supe-
rare atrium fortis arinati, fortis, inquam, crudelis atque superbi.«

2. EXEMPLUM VIRTUT1S - EXEMPLUM ARTIS 373
 
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