mos majorum, ut quotiens reges moriebantur, cum his dilecti equi vel servi
et una de uxoribus carior incenderentur; inter quas de hoc ipso magna erat
contentio. Famulum ergo servum cum Anchise sepultum accipere possu-
mus. Sive per apotheosin eum poeta deum ostendit effectum; unde et famu-
lum ei dat quasi ministrum. Singula enim numina, ut ajunt, superiora infe-
riores potestates ministras habent, ut Venus Adonem, mater deum Atin,
Minerva Erichthonium, Diana Virbium, Bacchus Marsyam. Aut certe a
Pythagorae assertione excogitatum est, qui primus de medulla, qua in spina
hominis est, anguem creari eprehendit. Quod Ovidius in XV metamorpho-
seon inter Pythagorae dicta commemorat. Anguinam autem Genio plerum-
que dari speciem novimus. Ut Persius: »Pinge duos angues«. Angues enim
in penetralibus tectorum repertos minus periti, ut innuit Servius, togatorum
daemones esse putabant, quos Latini, inquit, Genios vocant.
[6.18] Denn wenn wir geboren werden - sagt er [Servius, ad Aen. 6,
743] erhalten wir zwei Genien; der eine ermahnt uns zum Guten, der andere
zieht uns zum Bösen. Nicht unpassend werden sie Genien genannt, da sie, so-
bald irgendein Mensch geboren wird, ihm sofort als Beobachter beigegeben
werden. Mit deren Beistand nach dem Tode werden wir entweder in ein besse-
res Leben gewiesen oder zu einem schlechteren verdammt; durch sie erlangen
wir entweder Beweglichkeit, d. h. den Aufstieg zu den Höchsten, oder die Rück-
kehr in die Körper. Deshalb nennt er die Manen, die wir mit dem [.eben erhal-
ten, Genien.
[6.19] Gleichwohl wird bei dem Philosophen Plotin und nicht wenigen ande-
ren [vgl. Servius, ad Aen. 9, 182| lange gefragt, ob unsere Seele von sich aus
oder nicht viel eher durch den Einfluß irgendeiner Gottheit zu Triebregungen
und Gedanken angestoßen würde. Auch die Anhänger der ersteren Meinung,
die behaupten, die menschliche Seele werde aus eigenem Antrieb bewegt, be-
merken dennoch, daß wir zu allem Ehrsamen durch den Genius und eine
irgendwie [jedem einzelnen] eng vertraute Gottheit angeregt seien, die uns bei
der Geburt beigegeben würde; daß wir das Schlechte freilich aus unserer eige-
nen Seelenregung wünschen und begehren. Es könnte nämlich nicht geschehen,
sagen sie, daß wir aus dem [vermeintlich] schlechten Willen der Gottheiten her-
aus Begierden entwickeln, da fest stünde, daß diesen nichts Schlechtes gefiele.
Deshalb [äußert] Vergil {Aeneis 9, 184f.] an anderer Stelle:
»Ob Götter, Euryalus, solch eine Glut uns
gießen ins Herz oder wird seine Leidenschaft jedem zum Gotte?«
Er hätte auch so sagen können: Oh Euryalus, gießen die Götter oder unsere
eigenen Seelen [uns] Triebe und Wünsche ein? Oder wird die Leidenschaft der
Seele selbst [uns] zum Gotte? Der Genius sei außerdem der Naturgott, sagt
Remigius, der der Erschaffung aller Dinge vorstünde. Vom Verwöhnen des
Genius sprechen wir jedoch, sooft wir dem Genuß frönen. Das Gegenteil da-
von haben wir bei Terenz [Phormio 44]: »Oder den Genius betrügend (...)«.
Die Alten wollten jedoch auch, daß kein Ort ohne [eigenen] Genius sei. Daher
ist im 5. Buch der Aeneis [5, 95] über die Schlange, die aus dem Grabhügel des
Anchises hervorkriecht, zu lesen: »Unsicher ist er [Aeneas], ob er den Genius
des Ortes [sieht]«. Denn der angefügte Satzteil: »oder den Diener des Vaters«,
B. Definitionen von >Genius< und verwandten Geistern 531
et una de uxoribus carior incenderentur; inter quas de hoc ipso magna erat
contentio. Famulum ergo servum cum Anchise sepultum accipere possu-
mus. Sive per apotheosin eum poeta deum ostendit effectum; unde et famu-
lum ei dat quasi ministrum. Singula enim numina, ut ajunt, superiora infe-
riores potestates ministras habent, ut Venus Adonem, mater deum Atin,
Minerva Erichthonium, Diana Virbium, Bacchus Marsyam. Aut certe a
Pythagorae assertione excogitatum est, qui primus de medulla, qua in spina
hominis est, anguem creari eprehendit. Quod Ovidius in XV metamorpho-
seon inter Pythagorae dicta commemorat. Anguinam autem Genio plerum-
que dari speciem novimus. Ut Persius: »Pinge duos angues«. Angues enim
in penetralibus tectorum repertos minus periti, ut innuit Servius, togatorum
daemones esse putabant, quos Latini, inquit, Genios vocant.
[6.18] Denn wenn wir geboren werden - sagt er [Servius, ad Aen. 6,
743] erhalten wir zwei Genien; der eine ermahnt uns zum Guten, der andere
zieht uns zum Bösen. Nicht unpassend werden sie Genien genannt, da sie, so-
bald irgendein Mensch geboren wird, ihm sofort als Beobachter beigegeben
werden. Mit deren Beistand nach dem Tode werden wir entweder in ein besse-
res Leben gewiesen oder zu einem schlechteren verdammt; durch sie erlangen
wir entweder Beweglichkeit, d. h. den Aufstieg zu den Höchsten, oder die Rück-
kehr in die Körper. Deshalb nennt er die Manen, die wir mit dem [.eben erhal-
ten, Genien.
[6.19] Gleichwohl wird bei dem Philosophen Plotin und nicht wenigen ande-
ren [vgl. Servius, ad Aen. 9, 182| lange gefragt, ob unsere Seele von sich aus
oder nicht viel eher durch den Einfluß irgendeiner Gottheit zu Triebregungen
und Gedanken angestoßen würde. Auch die Anhänger der ersteren Meinung,
die behaupten, die menschliche Seele werde aus eigenem Antrieb bewegt, be-
merken dennoch, daß wir zu allem Ehrsamen durch den Genius und eine
irgendwie [jedem einzelnen] eng vertraute Gottheit angeregt seien, die uns bei
der Geburt beigegeben würde; daß wir das Schlechte freilich aus unserer eige-
nen Seelenregung wünschen und begehren. Es könnte nämlich nicht geschehen,
sagen sie, daß wir aus dem [vermeintlich] schlechten Willen der Gottheiten her-
aus Begierden entwickeln, da fest stünde, daß diesen nichts Schlechtes gefiele.
Deshalb [äußert] Vergil {Aeneis 9, 184f.] an anderer Stelle:
»Ob Götter, Euryalus, solch eine Glut uns
gießen ins Herz oder wird seine Leidenschaft jedem zum Gotte?«
Er hätte auch so sagen können: Oh Euryalus, gießen die Götter oder unsere
eigenen Seelen [uns] Triebe und Wünsche ein? Oder wird die Leidenschaft der
Seele selbst [uns] zum Gotte? Der Genius sei außerdem der Naturgott, sagt
Remigius, der der Erschaffung aller Dinge vorstünde. Vom Verwöhnen des
Genius sprechen wir jedoch, sooft wir dem Genuß frönen. Das Gegenteil da-
von haben wir bei Terenz [Phormio 44]: »Oder den Genius betrügend (...)«.
Die Alten wollten jedoch auch, daß kein Ort ohne [eigenen] Genius sei. Daher
ist im 5. Buch der Aeneis [5, 95] über die Schlange, die aus dem Grabhügel des
Anchises hervorkriecht, zu lesen: »Unsicher ist er [Aeneas], ob er den Genius
des Ortes [sieht]«. Denn der angefügte Satzteil: »oder den Diener des Vaters«,
B. Definitionen von >Genius< und verwandten Geistern 531