Michael Thimann
Abb. 5: Dürer und Raffael vor dem Thron der Kunst, in: Kunstverein zu Frankfurt a. M.: Compo-
sitionen und Handzeichnungen aus dem Nachlass von Franz Pforr, 1832, Heft 1, Bl. 1
die Geschichte der Idee von Raffael und Dürer in der deutschen Romantik. Der Kontext
der Entstehung - ob in Wien oder Rom - ist unklar, es gibt keine schriftliche Äußerung
Pforrs oder eines anderen Lukasbruders dazu; der Zweck der verlorenen Zeichnung
scheint ausschließlich privater Natur gewesen zu sein. In der kunsthistorischen For-
schung ist dem Blatt im Rekurs auf das „Traumgesicht" des Klosterbruders bei Wilhelm
Heinrich Wackenroder jedoch emblematische Bedeutung für das Verständnis der
deutschen Romantik zugemessen worden. Pforrs Darstellung, deren verschollene
Vorzeichnung gemeinhin „um 1810" datiert wird, ist eine wesentlich im Profanen
angesiedelte Künstlerallegorie: Dürer und Raffael knien vor den Stadtsilhouetten von
Nürnberg und Rom vor einer thronenden Personifikation der Poesie nieder, die pars
pro toto die Kunst verkörpert. Es handelt sich um eine junge Frau mit Schreibtafel
und Lorbeerkranz. Außer der möglicherweise christlich zu deutenden Strahlenkrone
ist auf dem Blatt kein Hinweis auf die explizit religiöse Funktion der Kunst auszuma-
chen. Vielmehr wird ein kunstreligiöser Gehalt der Komposition lediglich durch die
madonnenhafte Gestaltung der profanen Kunstallegorie hervorgekehrt.7 Die Künstler
sind in Anbetung und Verehrung auf die Knie gesunken. Sie sind hier offenbar als
Verkörperungen der beiden Nationen vor einer einheitlich durchlaufenden Horizont-
linie gedacht, deren Synthese im Zeichen der Kunst Gegenstand des Bildkonzeptes
ist. In dem Begleitheft zu der Publikation von 1832 heißt es:
70
Abb. 5: Dürer und Raffael vor dem Thron der Kunst, in: Kunstverein zu Frankfurt a. M.: Compo-
sitionen und Handzeichnungen aus dem Nachlass von Franz Pforr, 1832, Heft 1, Bl. 1
die Geschichte der Idee von Raffael und Dürer in der deutschen Romantik. Der Kontext
der Entstehung - ob in Wien oder Rom - ist unklar, es gibt keine schriftliche Äußerung
Pforrs oder eines anderen Lukasbruders dazu; der Zweck der verlorenen Zeichnung
scheint ausschließlich privater Natur gewesen zu sein. In der kunsthistorischen For-
schung ist dem Blatt im Rekurs auf das „Traumgesicht" des Klosterbruders bei Wilhelm
Heinrich Wackenroder jedoch emblematische Bedeutung für das Verständnis der
deutschen Romantik zugemessen worden. Pforrs Darstellung, deren verschollene
Vorzeichnung gemeinhin „um 1810" datiert wird, ist eine wesentlich im Profanen
angesiedelte Künstlerallegorie: Dürer und Raffael knien vor den Stadtsilhouetten von
Nürnberg und Rom vor einer thronenden Personifikation der Poesie nieder, die pars
pro toto die Kunst verkörpert. Es handelt sich um eine junge Frau mit Schreibtafel
und Lorbeerkranz. Außer der möglicherweise christlich zu deutenden Strahlenkrone
ist auf dem Blatt kein Hinweis auf die explizit religiöse Funktion der Kunst auszuma-
chen. Vielmehr wird ein kunstreligiöser Gehalt der Komposition lediglich durch die
madonnenhafte Gestaltung der profanen Kunstallegorie hervorgekehrt.7 Die Künstler
sind in Anbetung und Verehrung auf die Knie gesunken. Sie sind hier offenbar als
Verkörperungen der beiden Nationen vor einer einheitlich durchlaufenden Horizont-
linie gedacht, deren Synthese im Zeichen der Kunst Gegenstand des Bildkonzeptes
ist. In dem Begleitheft zu der Publikation von 1832 heißt es:
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