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Brandt, Annalena [Hrsg.]; Hefele, Franz [Hrsg.]; Lehner, Hanna [Hrsg.]; Pfisterer, Ulrich [Hrsg.]
Pantheon und Boulevard: Künstler in Porträtserien des 19. Jahrhunderts, Druckgrafik und Fotografie — Passau: Dietmar Klinger Verlag, 2021

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Essays
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Kitschen, Friederike: Künstlerbildnisse in populärwissenschaftlichen Buchserien des 19. Jahrhunderts- drei Länder, drei Funktionen, drei Traditionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70035#0097
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Friederike Kitschen

lehrte Autoren wollten der Leserschaft
mehr als nur die „menschliche Seite der
berühmten [...] Personen"7 nahebringen.
Dies zeigen sowohl die biografisch-werk-
monografischen Texte, die nach Kräften
vom „Fabel- und Anekdotenaufputz"8 äl-
terer Malergeschichten befreit wurden,
als auch die Auswahl der Abbildungen
respektive Künstlerbildnisse, die primär
kunstwissenschaftlichen Kriterien ge-
horchte.
Wie seinerzeit üblich, verwendete
Schauer als Vorlagen für seine Fotogra-
fien schwarzweiße Reproduktionsgrafi-
ken anstelle von Originalgemälden.9
Denn das Negativmaterial war um 1860
noch nicht empfindlich genug, um alle
Farben in adäquaten Grautönen wieder-
zugeben. Zudem boten die druckgrafi-
schen Blätter eine optisch bereinigte' In-
terpretation der Gemälde und zeigten
nicht, wie die allzu „stoischen"10, objek-
tiven Fotografien nach Originalen, auch
deren Beschädigungen, Übermalungen oder einen skizzenhaften Pinselduktus. Solche
,Details' galten als zu verwirrend für ein Laienpublikum. Darüber hinaus war es für
Schauer weitaus praktischer und ökonomischer, in der eigenen Sammlung oder im
Berliner Kupferstichkabinett aufbewahrte Blätter abzulichten als die über ganz
Europa verstreuten Gemälde. Nicht zuletzt wollte der Fotograf wohl auch sein junges,
von vielen noch skeptisch betrachtetes Medium nobilitieren und propagieren. Denn
er griff für die Künstlerbildnisse nicht auf Massenware im Stahl- oder Holzstich zu-
rück, sondern auf repräsentative, von Sammlern und Forschern gerühmte großfor-
matige Kupferstiche und Radierungen. Seine Fotografien brachten dadurch, in „ab-
soluter Treue", sowohl Abbilder der Originale als auch der „kostbaren"
Reproduktionen ins Haus - zu erschwinglichen Preisen.11 Nicht mehr nur die „glück-
lich situierte[...] Minorität der Kupferstichsammler"12 kam in den Genuss der Werke,
sondern bürgerliche Kunden, die sieben oder zehn Taler für ein Album ausgeben
konnten.
Der wichtigste Grund für die Präferenz von Spitzenwerken der Reproduktionsgrafik
aber war der, dass diese (in aller Regel seitenrichtigen) Blätter selbst in den Augen
kritischer Kunstgelehrter als den Originalgemälden „wahrhaft adäquat" galten.13
Holzstiche hingegen, so hieß es, erreichten „nie jene Genauigkeit in der Wiedergabe".14
Denn letztlich waren es die „echte[n] Kunstwerke" selbst, die Verleger und Autoren
dem Publikum zur Anschauung bringen wollten.15 Daher erwähnten sie die Vorla-


Abb. 1: Correggio, in: Hugo Freiherr von Blom-
berg: Correggio-Album, Berlin 1860 (Kunst-
historischer Cyclus), Fotografie, Taf. X

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