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Hofmann, Ludwig [Hrsg.]; Redslob, Edwin [Hrsg.]
Ludwig von Hofmann, Handzeichnungen — Weimar: Kiepenheuer, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.45054#0036
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Tanz tritt den Boden, um so zur Höhe zu federn, die wilden Leidenschaften,
heißer Schmerz und taumelnde Freude greifen auf zur Höhe, dunkle Trauer
will schwer zur Erde, Entsetzen preßt sich in den äußersten Winkel, Kraft und
Übermut wirbeln spielend durch den weiten Raum. (Tafel 43 bis 47, 54,57,79.)
Dann wieder schwingen rhythmische Linien: bald bedeuten sie Werbung
und Hingabe des Tanzes, bald bilden sie über Formen und Gedanken hin ein
eigenes Ornament, dessen Kurven ein Selbstzweck innewohnt, wie dem Muster
eines Stoffes oder dem Umriß eines Gefäßes. (Tafel 35, 57, 60, 78.)
Und indeß die Kraft in Linien zuckt, indeß sich breite Striche zur Dunkel-
heit zusammenschließen, lebt über allem Lasten und Bewegen das Licht, das
dem dionysisch-trunkenen Zug der Nacht und der freien Festlichkeit des
Tages das Leben gibt (Tafel 42 und 45, 60 und 63.)
Dieser Lust sich hinzugeben, ist höchste Künstlerschaft. Über eine Zeit,
die werkgerecht nach Endgültigkeit strebte, dieses echte Leben getragen und
leuchtend entfaltet zu haben, ist dauerndes Verdienst.
So werden diese Blätter uns lieb, und wir sehen auch im kleinsten unter
ihnen mehr als ein provisorisches Festhalten bildnerischer Gedanken. In
einem Jeden ist Selbstzweck, wie in allem, was schön ist.
Aber mehr noch, als das einzelne Blatt, ist uns die Tatsache, daß diese
reicheWelt im Inneren eines Künstlers lebt. Sie mit Worten herbarisch pressen
zu wollen, kann nicht der Zweck dieses Buches sein, in dem die Bilder für sich
zu reden vermögen. Auf eins aber gilt es hinzuweisen: Ludwig von Hofmann
hat — sich selbst wohl unbewußt — gerade in den Zeichnungen die neuen
Absichten erprobt und zuerst verwirklicht. Hier, wie in seinen Pastellen, ist
er oft von verwegenem Mut Hier vergißt er die bitteren Erfahrungen mit
dem Publikum, denn er hat diese Werke für sich geschaffen, indeß der Ge-
danke an die Passionen, die den Ausstellungsbildern bevorstanden, wohl doch
auf ihm lasten mußte. Denn wer Derbes zu sagen hat, der freut sich oft, wenn
es die andern ärgert — wer aber die innere Zartheit seiner Empfindung
schaffend offenbart, der hält sich gern zurück, weil ihn der Spott verletzt.
So hat Hofmann seine Zeichnungen lange verschlossen, und erst als die
Dresdener Ausstellung im Januar 1917 ein Bild seines Lebenswerkes zu geben
versuchte, mußte er die Entwicklung seiner Kunst auch mit graphischen Blättern
belegen.
Diese Blätter verschmähen jedes Kokettieren mit der Wirklichkeit. Der
Künstler weiß, daß man Bilder der Welt schaffen kann, aber keine Abbildungen.
Bilder aber sind Gleichnis und tragen ihre Wahrheit in sich.

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