Carlos Grethe: Elbe bei Hamburg. Gouache (Größe so: 80 em).
denn der große, weiße Dreimaster mit dein grünen Licht
am Steuerbord kommt schattenhaft wie ein Phantom
herangescgelt.
Oder man sehe die sturmgcpcitschten mächtigen Hoch-
seewcllen in dem Bild „Auf hoher See". Wir fühlen
den weißen Gischt in einer riesigen Kurve vorübcrsauscn
wie Wolkenfetzen an einem Alpenhange. Und wieder-
sehen wir das Wasser zu einem andern Element ver-
wandelt in den wundervollen Hafcnbildcrn Grethes, die
vielleicht den Höhepunkt in seiner bisherigen Lebens-
arbeit bedeuten. Hier ist es im Dienste der Menschen
eingedämmt, getrübt, vergiftet mit allem Stank und
Unrat der Schiffe, der
Maschinen und der
Arbeit. Aber in diesem
Gewimmel von Fahr-
zeugen und Menschen
gewinnt das Wasser
eine neue Schönheit,
die Schönheit der
massenhaften riesigen
Arbeit, ähnlich der
Schönheit der Bahn¬
höfe und Fabriken,
die so lange geleugnet
wurde, bis die Maler
sie entdeckten. Und
auch hier breitet das
feuchte Medium der
Atmosphäre versöh-
nende, rosige und
goldige Schleier über
die verwirrende Fülle
der Erscheinung aus
Grethe zeigt sich dabei von einer neuen Seite — zu-
nächst als ein Maler der bewegten Massen, die er
meisterlich darzustellcn weiß, und dann als ein Meister
des groß gefühlten Umrisses — namentlich in dem Haupt-
bilde „Vor der Arbeit", das vor wenigen Jahren in
Hamburg entstanden ist. Die Art, wie hier zwischen
den mächtigen Schattenmasscn des Vordergrundes, der
Schiffswand und der Boote, hinten im rötlichen Dunst
die Ricsendampscr erscheinen, hat sogar etwas Phan-
tastisches. Noch niemals ist die beunruhigende, beinahe
grauenhafte Schönheit des Hamburger Hafens so ersaßt
worden. Man denkt an Turner. Wahrscheinlich hat
Grethe selber gar nicht
an ihn gedacht, er
dachte überhaupt an
keine fremdelt Mei-
ster, sondern nur an
das Wasser und die
Schiffe und an seine
Arbeit, als er malte.
Das hindert indessen
nicht, daß stammver-
wandtes Geblüt und
Empfinden ihn einer
gewissen Seite der
englischen Malerei an-
nähern. Seine Vor-
liebe für ein gedämpf-
tes Licht, seine Ab-
neigung gegen alle
scharfen Kontraste,
seine Art, die Umrisse
in den: weichen Medi-
um dunstiger Lust
Carlos Grethe: Abend. Ölbild (Größe 120 ein).
7
denn der große, weiße Dreimaster mit dein grünen Licht
am Steuerbord kommt schattenhaft wie ein Phantom
herangescgelt.
Oder man sehe die sturmgcpcitschten mächtigen Hoch-
seewcllen in dem Bild „Auf hoher See". Wir fühlen
den weißen Gischt in einer riesigen Kurve vorübcrsauscn
wie Wolkenfetzen an einem Alpenhange. Und wieder-
sehen wir das Wasser zu einem andern Element ver-
wandelt in den wundervollen Hafcnbildcrn Grethes, die
vielleicht den Höhepunkt in seiner bisherigen Lebens-
arbeit bedeuten. Hier ist es im Dienste der Menschen
eingedämmt, getrübt, vergiftet mit allem Stank und
Unrat der Schiffe, der
Maschinen und der
Arbeit. Aber in diesem
Gewimmel von Fahr-
zeugen und Menschen
gewinnt das Wasser
eine neue Schönheit,
die Schönheit der
massenhaften riesigen
Arbeit, ähnlich der
Schönheit der Bahn¬
höfe und Fabriken,
die so lange geleugnet
wurde, bis die Maler
sie entdeckten. Und
auch hier breitet das
feuchte Medium der
Atmosphäre versöh-
nende, rosige und
goldige Schleier über
die verwirrende Fülle
der Erscheinung aus
Grethe zeigt sich dabei von einer neuen Seite — zu-
nächst als ein Maler der bewegten Massen, die er
meisterlich darzustellcn weiß, und dann als ein Meister
des groß gefühlten Umrisses — namentlich in dem Haupt-
bilde „Vor der Arbeit", das vor wenigen Jahren in
Hamburg entstanden ist. Die Art, wie hier zwischen
den mächtigen Schattenmasscn des Vordergrundes, der
Schiffswand und der Boote, hinten im rötlichen Dunst
die Ricsendampscr erscheinen, hat sogar etwas Phan-
tastisches. Noch niemals ist die beunruhigende, beinahe
grauenhafte Schönheit des Hamburger Hafens so ersaßt
worden. Man denkt an Turner. Wahrscheinlich hat
Grethe selber gar nicht
an ihn gedacht, er
dachte überhaupt an
keine fremdelt Mei-
ster, sondern nur an
das Wasser und die
Schiffe und an seine
Arbeit, als er malte.
Das hindert indessen
nicht, daß stammver-
wandtes Geblüt und
Empfinden ihn einer
gewissen Seite der
englischen Malerei an-
nähern. Seine Vor-
liebe für ein gedämpf-
tes Licht, seine Ab-
neigung gegen alle
scharfen Kontraste,
seine Art, die Umrisse
in den: weichen Medi-
um dunstiger Lust
Carlos Grethe: Abend. Ölbild (Größe 120 ein).
7