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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 14.1907

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Heft 8
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Heft 9
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Gischler, W.: Glossen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26457#0085

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loffen.
Es ist wohl keine Frage mehr: die Kunst-
ausstellungen haben sich zur Fremdenindustrie
nicht so bewährt, wie man erhoffte. Je seiner sie
werden — und waö bleibt bei der lebhaften Konkurrenz
in dieser Branche anderes übrig — um so weniger inter-
essieren sie den Laien, um so mehr werden sie Gelegen-
beiten zum Kaus und Studium für die Kunstfreunde
und Künstler: sind also eigentlich nur da am Platz,
wo diese Art Mensch sich häufiger findet, also in den
Kunststädten. Es sei denn, daß wie in diesem Jahr
zu Mannheim ein bedeutendes Stadtjubiläum unter
anderen Festlichkeiten gerechterweise auch eine Kunst-
ausstellung nicht vergißt; da wird sie durch anziehende
Sehenswürdigkeiten landläufiger Art, am häufigsten
durch einen Vergnügungspark, mit durchgezogen. Im
Laus dieser Gedanken wäre dann allerdings zu folgern,
daß Düsseldorf keine Kunststadt sei; denn auch dort
will es in diesem Jahr ohne Vergnügungspark gar
nicht klappen. Aber da liegt die Sache so, daß im
Gegensatz zu den vergangenen Veranstaltungen diesmal
den Kunstfreunden und Künstlern zu wenig gezeigt
wird, was sie dauernd interessieren könnte. So bleibt
es der Berichterstattung überlassen, in Köln wie in
Düsseldorf die Säle nach Gründen für ihre Leerheit
abzusuchen.
Wenn sie nicht, durch Besucher ungestört, auch ein-
mal in sich gehen und sich fragen will: warum
ihr Eifer so wenig an diesem Gleichmut des großen
Publikums zu ändern vermag? Ob er vielleicht nicht
selber ein wenig schuld sei an diesen Unternehmungen,
die — geschäftlich betrachtet — recht mißglückte Speku-
lationen sind? Da wird seit Jabren in Tageszeitungen
großer, kleiner und kleinster Art Bericht erstattet; da
wird gekämpft um Kunftanschauungcn, wie wenn die
Bauern und Bürger damit ihre Ofen Heizen müßten.
Kein Maler noch so ärmlich in der Begabung, und be-
scheidener in der Schulung als ein Handlanger: der
nicht ein Heft voll cingcklebtcr Zeitungsausschnitte über
die angebliche Schönheit oder Verrücktheit seiner Leistungen
besäße. Und alle diese Ausschnitte sind einmal Hunderten
und Tausenden von Gcncral-Anzeigcrs-Lesern zum Früh-
stück oder Vesper unters Brillenglas gekommen. Wie einer,
der am Stammtisch arabisch spricht, zum erstenmal wohl
sehr verblüfft, nachher nur andere ärgert und sich albern
macht, so mit dem Durchcinanderreden und Schreiben
von der Kunst: das hat der deutsche Bürger eine Zeit-
lang mitgctan, weil er so viel Respekt vor Bildung hat;
nachher istS ihm zu dumm geworden, er bleibt dann
lieber bei seinem Leisten Politik, wovon er auch nichts ver-
steht, daran er aber mir seinen: Wohlsein interessiert ist.
Und die Kunstzeitschristcn? Sie haben den Unsinn
der Berichterstattung teilweise mitgemacht; sie haben
die Säle gründlich abgehandelt und Hunderte von
Namen nennend Lob und Tadel gewichtig verteilt,
und kaum gemerkt, daß außer den zensierten Künstlern
(die immer nur das eigene Zeugnis lesen) die wenigsten
sich durch ihre Listen der Zensuren durchzulesen ver-
mochten. Das hatte seinen Wert, als sie noch Selten-
heiten waren, die Kunstausstellungen, und jeder Aus-

gestellte zugleich ein Ausgezeichneter. Wo heutzutage
aber die Werke wandern von Stadt zu Stadt und mehr
noch als die Werke die Menschen reisen, da sind die
Zeugnislisten der Kunstzeitschristen nicht einmal als
Fahrpläne zu gebrauchen. Am besten also, wir berichten,
wo etwas Außerordentliches im Werke ist, wir ver-
suchen etwas Gescheites zu sagen, waö nicht nur Kritik
heißt, wir nehmen sic als Übersichten sür uns, das
auszugreisen, was uns sonst entgeht, und passen aus,
wo einem zu Helsen wäre, der für diesen Großbetrieb
der Kunst mit seinem Werk und seinem Leben zu un-
beholfen ist.
* *
*
Nun habe ich zwar das böseste Gewissen: was soll
der Leser mit solchen Monologen machen, die nicht ein-
mal die Kunst angehn? Wie aber käme ich aus den
vielen Sälen anders heraus als so; und schließlich
muß ich es doch begründen, warum ich mich nun
ganz persönlich in die Büsche schlage; statt zu berichten,
vor einigen Bildern einiges von meinen Gedanken sage,
die nicht einmal allein die Bilder angehn. Und schließ-
lich sind es nicht einmal die besten oder die schlechtesten
Bilder: nur wie das geht, das Auge siebt und
meldet was es sieht, dem Kops, und der macht eigen-
willig die Gedanken dazu, worüber sich das Herz dann
ärgern oder sreuen kann.
Da also ist te Peerdt, ein Mann, der ehemals
durch Sensationsbilder so bekannt war wie heute Corinth
oder Erler auch, der dann vergessen wurde und noch
immer lebt, noch längst nicht als ein Greis, wohl aber
kaum ein Maler mehr: der aber ein paar Bilder auö
alten Zeiten noch zu zeigen hat, die allerdings auch
he»ite keine Sensation mehr machen, jedoch das künst-
lerische Auge gern beschäftigen. Nicht, daß sie irgend-
wie modern sind (und also vorgeahnte Kunstgeschichte
wären, wie erwa man von Runge sagen konnte). Eher
altfränkisch, und wie diese Schafherde mit ihrer gerad-
linigen fast komischen Perspektive das Gegenteil von
Impression. Sauber in einem kühlen Braun fertig
gemalte Bilder, darin immer etwas wie hier die hin-
gelagerte Schafherde ganz wie von einem alten Meister —
das heißt nicht altmeisterlich nur so lieb und bis ins
letzte durchgcsühlt und so in Köstlichkeit gemalt ist.
Eine Begabung, ganz unkonventionell und ebensowenig
revolutionär: zu unauffällig sür den Zeitgeschmack von
damals, der mehr aufs Äußerliche drängte. Und also
sür uns Nachgeborcnc das schöne Selbstgefühl, daß
heute solche Verkennung nicht mehr möglich sei, weil
heute doch der Sinn sür echte Kunst so anders ge-
läutert sei.
Ja, meine Lieben: das ist es, daß man stehen bleibt
vor diesem kleinen Bild; nicht dem tc Peerdt zuliebe, der
aller Gunst und Ungunst ungeachtet in Düsseldorf sein
bürgerliches Leben gut eingerichtet hat und als Künstler
nach solcher Pause durch keinen Beifall mehr gesteigert
werden kann; wohl aber, daß wir uns besinnen, ob
nicht die Helden unserer Zeit, die hochgepricsenen
Richtungssührer, Hauptleute und Gemeine am Ende
doch nur die auSgcdroschenen Halme sind, indessen der
Allgentrost auch aus unseren modernen Feldern ganz
 
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