Umgebung und zunächst die Wund, uns der es hängt,
wirksam zu schmücken. Von einem architektonischen
Ausbau ist zwar bei Grethe nicht viel zu spüren, und
nur bei einem Teile seiner Bilder ist der Umriß von
bedeutsamer Qualität, darum bleibt aber immer noch
die Farbe. Und innerhalb ihrer Grenzen, die durch
die besondere weiche Koloristik Grethes gegeben sind,
ist die dekorative Qualität Grethescher Bilder eine
wahrlich nicht geringe. Um zur vollen Geltung zu
kommen, braucht sie nur eine sympathische Umgebung,
aus der die lebhaften Farbtöne verbannt sind, also eine
Umgebung, wie sic die neueste Stilwandlung unserer
Innendekoration bevorzugt.
Merkwürdig, daß trotz so vieler und so offenbarer
Vorzüge unser Publikum nicht leicht den Weg zu Grethes
Kunst zu finden scheint. Wir denken dabei natürlich nicht
an die große Masse, die überhaupt nichts findet und
welche die Kränze ihrer Popularität immer nur aus
Versehen an Lebende verschenkt. Wir denken auch nicht
an die offiziellen Kunstpflcgestättcn, die mit Vorliebe
die korrekte Banalität belohnen, sondern an die kleinere
Gemeinde der verständigen Kunstfreunde, bei denen sich
die öffentliche Meinung der nächsten Generation vor-
bereitet. Ist ihnen Grethe etwa zu einfach, zu sachlich?
Carlos Grethe: Cis im Hafen. Ölbild (Größe 120:85 vin).
— Das wären Qualitäten, die sich schwerlich übertreiben
ließen, immer vorausgesetzt, daß ein Künstler sie besitzt.
Oder bringt er ihnen nicht genug Neues? — Das wäre
nicht vonnöten, denn von der bildenden Kunst gilt nicht
minder, was Goethe von der redenden sagt: „Alles
Gescheite ist schon gedacht worden, man muß nur ver-
suchen, es noch einmal zu denken." Alles Vortreffliche
ist schon gemalt worden, aber wenn ein neuer Künstler
aussteht, um es noch einmal zu malen, so ist es eben
wieder neu, so neu wie der Mensch, der es schuf.
Wir sagen nicht zu viel, wenn wir es aussprechen,
daß Carlos Grethe der erste Darsteller des Meeres
unter unseren deutschen Zeitgenossen sei — aber bei weitem
der erste. Wir würden ihn schlechtweg nach altem Brauche
unser» größten Marinemaler nennen, wenn sich nicht
unsere Feder gegen das allzu Fachmäßige des Wortes
sträubte. Marinemaler sind Herren eines geringeren
Ranges, die Maler eines Bildes, ihres Bildes. Sie
auszuzählen ist nicht nötig. Wir wollen sie nicht kränken,
so wenig wie wir sie ehren. — Aber Carlos Grethe ist
der Maler vieler Bilder, die nur den Hintergrund gemein-
sam haben — das Meer mit der unendlichen Mannig-
faltigkeit seiner Gesichte. Und das ist keine Armut.
Gustav Pauli.
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