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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 14.1907

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Heft 8
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Schmidt, Paul Ferdinand: Die neue Baukunst in Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26457#0066

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Neue Baukunst in Frankfun.

geboren aus dem lebendigen Bedürfnis, von einem
reinen, klaren Wollen gemeistert; die behagliche Holz-
vertäfelung, die praktischen Möbel, alles zeugt von
ernsten und soliden Gewohnheiten. Aber Loehr ist vor
allen: auch Monumentalbaumcister: Entwürfe zu Kirchen
und zu einem mächtigen Warenhause in freier Pfeiler-
konstruktion fielen von ihm auf.
Paravicini hat Frankfurt mit den: ersten groß-
zügigen MiethauS beschenkt, dem Hause Kovatschek;
ein wenig zu ernsthaft, zu ehrlich in der strengen Durch-
bildung des kubisch-rechtwinkligen Elements, aber voller
Liebenswürdigkeit und lichter Grazie in der Innen-
ausstattung, die Paravicinis stärkste Seite ist. Wer
gern hell und luftig wohnt, den werden seine Treppen-
häuser und Wohnungen entzücken.
Wo es angeht und Vorteil verheißt, knüpft unsere
neue Architektur mit Recht an das Alte an. Die Zeit
ist gottlob vorüber, wo eS Originalsein hieß um jeden
Preis; die Architektur vor allen anderen Künsten fällt
nicht plötzlich vom Himmel; das weiseste Gebaren er-
scheint da, aus Überkommenem die neuen Möglichkeiten
zu entwickeln und nur den obersten Grundsatz fcst-
zuhalten: wahr zu sein, den: Bedürfnis ein Gehäuse
zu schaffen nach seiner eigenen Natur. Man kann
moderne Häuser bauen, indem
man von der Mansardenzeit des
l8. Jahrhunderts ausgcht; und
man kann selbst Geschäftshäuser
bauen, deren Fassade aus den:
Rustikaprinzip beruht: wie cs
Wollmann in seinem Entwurf
für die Firma Schaffner 6c Albert
getan. Eine feste, ruhige Quader-
fläche, auö der die notwendigen
Öffnungen geschnitten sind, aus
der sich die architektonische Gliede-
rung hervorbeugt und hebt: und
darum diese Ruhe und Festig¬
keit, dieser stämmige deutsche
Trotz. Man sicht: solche Auf-
gaben können aus mancherlei
Art gelöst werden.
Von den mehr sachlichen
Architekten scheint es ein großer
Schritt zu denPhantasiekünstlcrn,

den Rokokonaturcn, denen die einfache Zweckersüllung
nicht für ihren Schaffensdrang genügt: sic schaffen Riesen-
projekte in die Lust, mehr dem Erfindungstrieb als dem
Bedürfnis entsprungen, scheint cs; solche Künstler, meint
inan, müßten den weitausholenden Instinkten der Frank-
furter gerade recht kommen. Aber nun: irrt sich: wenn
die Frankfurter etwas ganz Unerhörtes ausrichtcn wollen,
so holen sie sich einen Fremden — das war schon so
vor Jahrhunderten — oder sie suchen sich die un-
geeignetsten ihrer Akademiker auö. Morin, mit seinen
Fähigkeiten, aus rauschend fürstlichen: Barock Stadt-
bilder zu gestalten, ist schon sortberufen; Sens und
Musch, deren großer Dckorationssinn, vorläufig noch
nicht auSgcrcist, noch des Maßes entbehrend, eine Zu-
kunft verbeißt, sie müssen sich an wenig würdige Auf-
gaben halten, wenn sie auöfübren wollen; und ähnlich
geht es Blau::: und den: genialsten unter ihnen, Leon-
hardt, der seine Entwürfe mit einer großartigen Geste
aufs Papier zu werfen weiß, der berufen wäre, Stadt-
bilder von monumentaler Phantastik zu erschaffen und
Riesenmassen in die Lust emporzubauen (wie gewaltig
wirken seine Projekte zu Synagogen und Wassertürmen),
und der bis jetzt nur kleine Bauten entstehen lassen
durfte, die, an sich zicrvoll und reich, von seiner eigent-
lichen Begabung nicht viel er-
raten lassen. Nur Blaum durfte
einen seiner Türme — doch lange
nicht den schönsten — aus dein
Weißen Stein bei Heidelberg
errichten; einen elegantei: und
für die weichen Linien jener
Berge sinnvollen Abschluß, ein
neues Zeichen, daß auch die
„Verschönerung" und Genieß-
barmachung der Natur eine Be-
reicherung bedeuten kann.
ES gärt in Frankfurt; was
für einen Wein werden wir
schließlich zu trinken bekommen?
Es wäre traurig, sollte man
nicht an einen guten Geist
glauben dürfen, der auch eines
Tageö in Frankfurter Bauherren
führe!
Paul Ferdinand Schmidt.


Möllmann: Geschäftshaus.
 
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