in die Erscheinung zu bringen,
setzt er sie stets aus einen ein-
farbigen, meist Hellen Hinter-
grund. In seiner Farbcnskala
herrschen die kältesten Töne vor,
die sich denken lassen: am
häufigsten kaltes Blau, sehr
kaltes Violett, das gegen Gelb
gestellt, Hellrosa, Helles Grün,
kühle ernste Farben, wie ge-
schaffen, um seine Formen zu
begleiten und herauszuheben.
Atmosphäre, luminaristische Ein-
zelheiten fehlen vollständig. Auf
seinen Landschaften gibt Hodler
wohl gewisse Naturstimmungen,
Sonne und Helligkeiten, ver-
meidet es aber, der strengen
Zeichnung zuliebe Töne inein-
ander verschwimmen zu lassen.
Die sonnige Fläche ist ihm Masse,
wie der Baum und der Stein,
aber kein Anlaß, um vom Lokal¬
ton abzuweichen.
IV.
Hodler hat sich diese Formen-
sprache in jahrzehntelanger Ar-
beit ausgebildet.
Sie findet sich schon in seinen Frühwcrken deutlich
vorgezeichnet. Überall das Drängen nach der großen
Form, nach dem Gestalten der menschlichen Erscheinung.
Als Landschafter lehnte der Künstler, der Ende der
siebziger Jahre in Spanien gewesen ist und vorher die
Franzosen kennen lernte, bei Corot an. Ich kenne von
der Hand des fünfundzwanzigjährigen Berners weiche,
flaumige, in einem hellgoldnen Gesamtton gehaltene
Landschaften aus der Umgebung von Madrid. Damals
malte er noch Atmosphärisches, Licht und Luft, aber
schon findet sich der spätere Hodler, der Mann der
strenggefügten Komposition: die Massen sind sorgfältig
gegeneinander abgewogen, der Vordergrund, ein paar
aufstrebende Vertikalen (Pappclbäumc), ein paar be-
stimmte Horizontalen (Wolken, der Horizont), das alles
ist in ein sehr schönes Verhältnis gebracht. Man würde,
ohne zu wissen, daß die Bilder von Hodler sind, auf
einen linear begabten Corotschüler schließen.
Anfang der achtziger Jahre steht der Künstler im
Banne des Pariser Naturalismus, malt Jnnenräume mit
allen Schikanen und Kleinigkeiten, z. B. einen Schuster-
in seiner Werkstatt und seinen Freund den Kupferstecher
Marcel Desboutins in seinem Atelier. Es sind voll-
kräftige Werke, unübertrefflich in ihrer genauen und
sicheren Zeichnung, in der Modellierung der Form und
merkwürdig in ihrer fast altmeisterlich-exakten klein-
lichen Mache.
Alles ist wie in Metall gearbeitet, hart und scharf
herausgcmeißclt. Eine küble Objektivität liegt über der
peinlichen Arbeit. Das Kolorit ist schwer und massig.
Die Farben stehen zuweilen mit verletzender Härte neben-
einander und nirgends wird der Versuch gemacht, die
Töne dieser Jnnenräume einander enger zu vermählen.
Aber die klare Form ist betont. Der menschliche
Körper, die Figur, für Hodlers anthropozentrische Kunst
der Mittelpunkt aller Darstellungen, hebt sich nut plastischer
Schärfe, energisch aus dem übrigen Bilde hcrauömodcllicrt
und wie ein selbständiger Teil auftrctend, von der Um-
gebung ab. Man sicht, daß sich Hodler bei dieser
Malerei nicht woblgefühlt hat, daß er nach einer AuS-
drucksform drängte, die zur stilisierten Einzelfigur führen
mußte. Eine leise Andeutung davon liegt auch in seinen
frühen Ticrbildern. Zu wiederholten Malen hat er schon
während des spanischen Aufenthaltes und in den folgen-
de:: Jahren das Thema einer großen, den Raum be-
herrschenden Masse in der Natur gemalt: einen Stier
in der Landschaft. Dieses Motiv gehört zu den ersten,
bei denen sich die Stilisierungsversuche Nachweisen lassen,
die Abwendung vom Stoff und die Betonung deö Pro-
blems: den Körper als eine mächtige dominierende Masse
erscheinen zu lassen. Es dauert nicht mehr lange und
diese Absichten und dieses Wollen bricht sich kräftig Bahn.
Zwar gibt cs aus diesen Ubergangstagen Bilder,
auf denen er noch tief in seinen Vorbildern steckt. Ich
erinnere mich an eine große Gebirgsscelandschaft, ein
schweizerisches Motiv, bei dein der Vordergrund noch in
der Corotschen Art behandelt ist. Stumpseö Grün
herrscht vor. Die Gegenstände sind noch nicht rhyth-
misch geordnet. Das Bild ist mehr auS der Natur-
stimmung herauSgcstaltet. Aber schon finden sich im
Hintergründe, bei den Bergmasscn — also immer dort,
wo Hodler großen geschlossenen Formen begegnet —
Anzeichen der späteren Hodlcrschen Handschrift, die
kräftig betonten ümrißlinicn, die bewußte Flächen-
teilung und die farbige Einfachheit. Landschaftsbilder
vom konstruktiven Schlage der Hobbemaschen Allee
(Naturausschnitte mit einem bestimmten linearen Grund-
109
F. Widmann:
Gollhmdsee.