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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 14.1907

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Heft 10
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Baer, Casimir Hermann: Das alte und neue Schweizer Bürgerhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.26457#0135

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Abb. I. Landhaus, äußere Schoßhalde in Bem. Phot, von A. Pillichody.

alte und neue
Schweizer Bürgerhaus.
Wirtschaftliche Fragen beherrschen heute unser Leben;
demzufolge sind es auch Architekturprobleme dieser Arft
von der Wohnung des Arbeiters bis zum Städtebau,
die Volk und Künstler vor allem bewegen. Der reprä-
sentative Monumentalbau kirchlichen wie profanen Cha-
rakters hat seinen maßgebenden Einfluß eingebüßt; mit
dem Hervortreten des bürgerlichen Mittelstandes und
mit der Verallgemeinerung einer verfeinerten Lebens-
führung sind Bedürfnisse entstanden, die zu ihrer prak-
tischen wie künstlerischen Lösung alle vorhandenen Kräfte
in Anspruch nehmen. Die Einsicht, daß zur Erzielung
eines leistungsfähigen Geschlechts intellektuelle, körperliche
und ästhetische Kultur untrennbar vereint sein müssen,
und daß bei diesem Dreiklang der ästhetischen Macht
wesentliche Bedeutung zukomme, hat dazu geführt, die
Kunst, die mit der
Wohnung des Bür-
gers verbunden ist,
für mindestens ebenso
wichtig zu halten, wie
jene, die um ihrer
selbst willen und in
ihren eigenen Hallen
ausgesucht sein will!
Mit rein äußer-
lichen Mitteln kann
das Problem der
heutigen Architektur,
eine allen praktischen
und ästhetischen For¬
derungen entsprechen¬
de bürgerliche Woh-
nung zu schaffen,
nicht gelöst werden.
Auch die ängstliche

Vermeidung aller Anlehnung an historische Stile, wie
das krampfhafte Suchen nach neuen Formen, vermögen
da nicht zu helfen. Wohl sind einerseits unerbittliche
Sachlichkeit und eine geschmackvolle Durchbildung der
klar erkannten Probleme nötig, anderseits aber auch
die reichen Erfahrungen, die frühere Jahrhunderte bei
der Bewältigung baulicher Aufgaben gesammelt haben.
In der Tat ist jeder Bruch mit der Tradition auf
allen künstlerischen Gebieten mit einer Einbuße an
formaler Schönheit verbunden. Wir müssen uns daher
an Vergangenes zurückcrinnern, müssen, wie Muthesius
ungemein prägnant sich ausdrückt, statt einer stilgerechten
wieder eine baugerechte Behandlung anstreben und diese
uns entfremdete Kunst an den vorhandenen alten Bauten
studieren. Dann wird der Künstler ganz von selbst
dazu kommen, eine ausgeprägt nationale Kunst zu
betreiben, was ihm doch vor allem am Herzen liegen
sollte! Denn eine Kunst, die als gcmütsveredelnde
Kraft ihre Aufgabe erfüllen will, muß von jener warmen
Begeisterung ge-
tragen sein, die sich,
wenigstens bei uns,
weder an rein ra-
tionellen Dingen noch
an formaler Schön-
heit allein zu ent-
flammen vermag.
Und da die Kirche
ihre Kunstmission im
Mittelalter erfüllt
hat, dürften jetzt Na-
tionalbewußtsein
und Heimatliebe
die Ideale sein, die
die Kunst zu neuen
und großartigen Wer-
ken anregen könnten.
Der Schweizer
hat sich durch jahr-



Abb. 2. Ein Wirtshaus in Toggenburg.
 
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