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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 14.1907

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Heft 10
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Baer, Casimir Hermann: Das alte und neue Schweizer Bürgerhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.26457#0140

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haben, niemals aufkommen
können (Abb. 7).
In ähnlicher Weise hat
Münfterbaumeifter Karl Jn-
dermühlc in Bern an noch
ältere Traditionen anzuknüpfen
versucht. Durchstreift man die
Umgebung von Bern, so trifft
man wohl vereinzelt kleine
Bauten aus dem XVI. Jahr¬
hundert an, unbefestigte Wohn¬
häuser, offenbar Sommer- und
Jagdsitze der Stadthcrren, wie
das Fehlen von Kaminen und
älteren Ofen anzudeutcn scheint.
Solch kleine Bauwerke, die
als schlichte Vorläufer der
stolzen Berner Landsitze des
XVII. rmd XVIII. Jahr¬
hunderts anzusehen sind, fin¬
den sich z. B. noch in Musselen,
Großhöchstettcn und Wytti-
kofen; das hier abgebildete
Schlößchen (Abb. 8), das auf
dein Bühlikofeu, einem Hügel
unweit Aollikofcn, zwischen Obstbäumcn malerisch ver-
steckt liegt und nach der Überlieferung 1576 von Hans
Franz Naegeli, dem Eroberer der Waadt, erbaut worden
sein soll, hat Architekt Jndcrmühle bei der Erbauung
seines Landhäuschens in Bümplitz bei Bern vorgeschwebt
(Abb. 9). Eine breit dem Hause vorgelagerte Garten-
halle und ein kräftiger, ernster ausgesprochener Giebel
geben aber auch dieser Neuschöpsung neben aller Boden-
ständigkeit die persönliche Note.
In Basel ist eö vor allem Architekt Fritz Stehlin,
der getreu den Traditionen seiner Familie bestrebt ist,
echt baslerisch zu bauen. Trefflich ist ihm dies bei der
Villa R. V.-L. ge¬
lungen (Abb. IO), die,
an einem durch die
Kreuzung zweier
Straßen entstandenen
Platz gelegen, so recht
die schlichte Bürger¬
lichkeit, aber auch den
behäbigen Stolz des
altvornehmcn Han¬
delsherrn zur Schau
trägt. Beim Hause
0. 6l.-H. (Abb. II),
das als Stadtsitz nur
im Winter bewohnt
wird, kau: e§ darauf
an, die Fassade so
auszugestalten, daß
sic auch neben den
angrenzenden hohen
Miethäusern zur Gel¬
tung komme. Das
wurde durch Weg¬
lassen aller horizon-

talen Gliederungen erreicht;
trotz seiner verhältnismäßig ge-
ringen Abmessungen beherrscht
das kleine Palais in seiner
ruhigen, rassigen Vornehmheit
doch vollkommen das ganze
sonst recht gleichgültige
Straßcnbild. In ähnlicher
Weise sind in Basel neben
anderen auch die Architekten
La Roche, Stähelin ck Co.
und ViSscher van Gaas-
beek bemüht, bei aller Mo-
dernität ihrer Neubauten doch
stets heimischen Baugcwobn-
hciten und Formcngebungcn
treu zu bleiben. Das Haus
k. in der Missionsstraße
(Abb. 12) ist ein wirksames
Beispiel eines ganz neuen und
doch gcit baslerischen Bürger-
hauses, während die schlichte
Gartenfassade des Hauses ^V.
am Lindenweg zeigt, wie auch
gesteigerten Ansprüchen ohne
überreiche Beihilfe fremder oder älterer Stilformen allein
durch Umriß, Ruhe und abgewogene Verhältnisse ent-
sprochen werden kann (Abb. 17).
Im Gegensatz zu Bern und Basel ist in dein stark
von Ausländern bewohnten Zürich der Anschluß an die
auch hier vorhandenen alten Baugewohnheiten noch
nicht mit gleicher Folgerichtigkeit durchgeführt. Das
lebhafte Streben darnach ist in zürcherischen Architekten-
kreisen zweifellos vorhanden, daö zeigen erfreuliche Wohn-
hausbautcn, wie das „Opfelbäumli" der Architekten
Pflcghard öc Hacfeli in Zürich draußen in Zollikon
(Abb. 14), wie das Landhaus „Obereggbühl" in Höngg
von Architekt Max
Müller in Zürich
und andere Häuschen
an den Ufern deS
Sees auf und ab,
am Steinwiesplatz
oder hoch oben an
den Abhängen des
Zürichbergs. Aber das
bauende Publikum
scheint dafür doch noch
nicht allzuviel Ver-
ständnis zu haben
In einer Stadt, in
der die einheimischen
Elemente gegenüber
der traditionslosen
Menge der Einge-
wanderten so sehr zu-
rücktrctcn und in der
zudem seit Jahrzehn-
ten die Bedürfnisse
nach bildender Kunst
stets nur geringe


Abb. 12. Wohnhaus k. in der Missionsstraße in Basel.
Architekten: La Noche, Stähelin k Co. in Basel, erbaut IY0Z.


Abb. 14. Das Haus zum „Öpfelbäuinli" in Zürich.
Architekten: Pfleghard k Haefeli in Zürich, erbaut IY04/05.
 
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