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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 14.1907

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Heft 10
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Baer, Casimir Hermann: Das alte und neue Schweizer Bürgerhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.26457#0142

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Zürich, zwei Glarner, im Kan-
ton Glarus geschaffen. Das
einfache Wohnhaus in Weesen
(Abb. 17) vermeidet mit Ab-
sicht alles Städtische. Nur
ein diskret und feinfühlig
bemalter Erkerbau, dazu eine
schattige Laube und Blumen
an allen Fenstern bilden
seinen Schmuck. Im Gegen¬
satz dazu will das Haus
8.-61. in Glarus (Abb. 18),
am Rande der Stadt erbaut,
den Übergang von städtischer
zur Landhaus-Architektur zum
Ausdruck bringen. Vor¬
stehende Erkerbauten, eine
sonnige weite Terrasse und
gelbbraune Steinlisenen auf
weißem Putz geben der
Fassade, die unter großen:
ruhigem Ziegeldach aus dem
Grün brcitkroniger Bäume
über die Rasenfläche blickt,
ihre freundliche Würde. Im
Giebel des Mittelbaues aber
haben die Architekten die alt-
glarnerische Tradition des
großen geschwungenen Gie¬
bels aufgcgriffen und dadurch
Töne in den Gesamtklang
gemischt, die ihn vertiefen
und dabei wohltuend anhcimcln.
Was so hier in aller Kürze an neuen Schweizer
Bürgerbauten gezeigt werden konnte, darf nicht als um-
fassende Darstellung der so überaus erfreulichen und
ziclbewußten Tätigkeit junger Schweizer Baukünstler
angesehen werden. Es sind nur wenige Typen, heraus-
gegriffen aus der Fülle interessanter und anregender
Beispiele, die aber alle überzeugend dartun, daß man
in der Schweiz auf dem besten Wege ist, sich, wenn

auch keine eidgenössische, so
doch eine vielgestaltige, echt
schweizerische Bauart wieder-
zugcwinncn, und daß das
weitere Publikum dank ganz
besonders günstiger Verhält-
nisse den Bemühungen seiner
Architektcnschaft überraschend
viel Interesse und Verständnis
entgcgenbringt.
Die Harmonie des Schweizer
Volkes nut der großen Natur
des Schweizer Landes kommt
in allem Schweizerischen, wie
einst, so noch heute, mehr oder
weniger zum Ausdruck; sie
darf und kann daher auch einer
guten nationalen bürgerlichen
Architektur nicht fehlen. Der
edle Boden hat das Bestreben,
die Eigenart seiner Bewohner
zu bilden und zu wahren; eS
liegt an ihnen, die tausend-
fältigen Anregungen aufzu-
greifen und zu neuen Äuße-
rungen schweizerischer LebenS-
kultur zu verarbeiten. Und
wer Land und Leute mit liebe-
vollem Eingehen studiert, wird
finden, daß ein tiefes genuß-
reiches Innenleben gegenüber
einer manchmal rauhen, ab¬
wehrenden Außenseite, Äußerungen lebhaften Bildungs-
triebes und geistiger Regsamkeit gegenüber einen: starken,
aber kraftvoll zurückgehaltcncn Gemütslebcn, Energie
und Mut gegenüber einer gewissen ängstlichen Furcht,
das zu zerbrechen, waS man zu kräftig anfaßt, als
besondere Merkmale schweizerischer Art die charakte-
ristische Ausgestaltung der alten wie der hier geschilderten
neuen bürgerlichen Baukunst der Schweiz veranlaßt und
beeinflußt haben. vr. C. H. Baer.


Abb. 17. Landhaus 0. 8eb. in Weesen.
Architekten: Streifs s- Schindler in Zürich, erbaut l-04/05.


Abb. 18. Wobnhaus 8.-6. in Glarus.
Architekten: Streifs Sc Schindler in Zürich, erbaut 1-04/05.
 
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