Die Sonder-Ausstellung für christliche Kunst in Aachen 1927.
kühl, lind wo er warm werden will — wie eben im
Pallenbergsaal — wird er leicht schwülstig. Ihn trennt
eigentlich nicht allzuviel von den Dekorateuren alten
Schlages, etwa dem verstorbenen Frankfurter Meister
Linnemann; und wollte man sich wirklich eine deutsche
Schule für dekorative Raumschmückung denken, wie sic
Professor Clcmcn anscheinend wünschte, so könnte man
ihn als Meister doch nur mit dem Unbehagen darin
sehen, daß wir auf moderne Lösungen von vornherein
verzichtet hätten.
Freilich etwas anderes als Professor Schaper, dein
man die Ausschmückung des Aachener Domes mit
Mosaiken anvertraut hat, ist er immerhin; er macht
Kunst und jener eigent¬
lich nicht. Aber man
braucht seinen abgebil¬
deten Entwurf für ein
Wandgemälde nur mit
dem gleichfalls abge¬
bildeten „i^oki M6
tanKsro« von Thorn
Prikker zu vergleichen,
um die Unzulänglich¬
keit seiner nachgeahmten
Gotik zu empfinden.
Nicht, daß die Formen¬
sprache des in Krefeld
lebenden Holländers
anziehender wäre: sie
zeigt besonders kraß
jene Gewaltsamkeiten
der Empfindung, die
uns Modernen so leicht
anhaftet, wenn wir
an die Darstellung er¬
habener Dinge gehen.
Aber sie ist zum min¬
desten so dekorativ wie
nur ein Blatt von
Melchior Lechter und
ist es doch als Erfolg
eigener Anschauung und
eigener Arbeit. Und
daß sie eigentlich kunst¬
gewerblich bleibt, d. h.
in ihrer Linienführung
etwas äußerlich Ge¬
wolltes behält, das sich
mit dem Inhalt nicht deckt, also nicht hohe Kunst wird:
ist gewiß das Schicksal aller dekorativen Malerei, die
trotzdem eine würdige Aufgabe für alle bleibt, denen
das Große, genannt Monumentale, versagt ist.
Denn kein Zweifel: an den Fresken Rethels im
Aachener Rathaus gemessen, bleibt selbst der feinen
traumhaften Studie zur Ausmalung der Aloysiuskapelle
in Hartem von I. Toorop etwas Witziges anhastcn, das
sie kleinlich erscheinen läßt gegenüber jener ganz vom
Gegenstand erfüllten Kunst. Die Monumental-Malerei
bleibt wie die große Tragödie den Großen Vorbehalten,
die alle Wirkungsmittcl, auch die dekorativen, gleichviel
beherrschen und sich ganz an den Gegenstand hingeben
können ohne jeden künstlerischen Vorbehalt, weil ihr
Genie doch alles von selbst in große Formen gießt.
Insofern ist die dekorative Malerei immer nur ein
Surrogat, aber für die Ausmalung von Räumen das
einzig erträgliche. Wenn einer im Stil Rethels die
Wände zu füllen versucht, der kein Rethel ist, wofür
daS Aachener Rathaus gleichfalls die Beispiele liefert,
so wird mit einer dem Laien kaum merklichen Ver-
schiebung gleich etwas unsagbar Klägliches daraus, weil
gerade jenes instinktive Gefühl für große dekorative
Formen, das dem Genie todsicher innewohnt, verlassen
und so statt großer Ordnung eine bunte kleinliche Un-
ordnung gegeben wird, worin daS Schicksal so ziemlich
aller Historienbilder der
letzten fünfzig Jahre
bestand.
Die Franzosen hatten
das Glück, in Puviö de
Chavanncs einen Künst-
ler monumentaler
Größe nicht nur zu be-
sitzen, sondern auch
rechtzeitig zu erkennen,
während wir Deutschen
Feuerbach wie Marses
verunglücken ließen und
uns zurzeit gegen den
Schweizer Hodler, in
dem sich daS Genie
Rethels in gerader Linie
sortzusctzcn scheint, mit
wahrem Fanatismus
wehren. Die Franzosen
können uns auch einen
Künstler zeigen, der,
seinen großen Meister
begreifend, sich kluger-
weise aus das Dekora-
tive beschränkt und sich
somit als ein wahrer
Schüler von ChavanncS
erweist: Maurice St.
DeniS. Von ihm wurde
in Aachen ein liebens-
würdiges Bild gezeigt,
daS am vollkommensten
das erfüllt, waö wir
für unsere Kirchen und
sonstige Hallen haben müssen: Bescheidung vor dem
Gegenstand, den Großen seine große Prägung über-
lassend, dekorative Aussüllung einer Fläche, ohne Allüren,
in sanften klug gestimmten Farben und ruhigen Linien,
so diskret, daß jener kunstgewerbliche Beigeschmack, der
wie gesagt bei den Arbeiten Thorn Prikkers ihre deko-
rative Wirkung unangenehm hindert, beseitigt ist.
Von solcher Art müßte der Lehrer einer dekorativen
Schule sein, die als erstrebenswertes Ziel aus diesem
Teil der Aachener Ausstellung anspricht. Und da müssen
wir schon eingcstchen, daß wir Deutschen einen solchen
Lehrer hätten, allerdings ganz und gar nicht als christ-
lichen Künstler. Liebenswürdiger und zarter kann man
Richmond, London: Entwurf zu einer» Kuppelmosaik für St. Paul, London.
kühl, lind wo er warm werden will — wie eben im
Pallenbergsaal — wird er leicht schwülstig. Ihn trennt
eigentlich nicht allzuviel von den Dekorateuren alten
Schlages, etwa dem verstorbenen Frankfurter Meister
Linnemann; und wollte man sich wirklich eine deutsche
Schule für dekorative Raumschmückung denken, wie sic
Professor Clcmcn anscheinend wünschte, so könnte man
ihn als Meister doch nur mit dem Unbehagen darin
sehen, daß wir auf moderne Lösungen von vornherein
verzichtet hätten.
Freilich etwas anderes als Professor Schaper, dein
man die Ausschmückung des Aachener Domes mit
Mosaiken anvertraut hat, ist er immerhin; er macht
Kunst und jener eigent¬
lich nicht. Aber man
braucht seinen abgebil¬
deten Entwurf für ein
Wandgemälde nur mit
dem gleichfalls abge¬
bildeten „i^oki M6
tanKsro« von Thorn
Prikker zu vergleichen,
um die Unzulänglich¬
keit seiner nachgeahmten
Gotik zu empfinden.
Nicht, daß die Formen¬
sprache des in Krefeld
lebenden Holländers
anziehender wäre: sie
zeigt besonders kraß
jene Gewaltsamkeiten
der Empfindung, die
uns Modernen so leicht
anhaftet, wenn wir
an die Darstellung er¬
habener Dinge gehen.
Aber sie ist zum min¬
desten so dekorativ wie
nur ein Blatt von
Melchior Lechter und
ist es doch als Erfolg
eigener Anschauung und
eigener Arbeit. Und
daß sie eigentlich kunst¬
gewerblich bleibt, d. h.
in ihrer Linienführung
etwas äußerlich Ge¬
wolltes behält, das sich
mit dem Inhalt nicht deckt, also nicht hohe Kunst wird:
ist gewiß das Schicksal aller dekorativen Malerei, die
trotzdem eine würdige Aufgabe für alle bleibt, denen
das Große, genannt Monumentale, versagt ist.
Denn kein Zweifel: an den Fresken Rethels im
Aachener Rathaus gemessen, bleibt selbst der feinen
traumhaften Studie zur Ausmalung der Aloysiuskapelle
in Hartem von I. Toorop etwas Witziges anhastcn, das
sie kleinlich erscheinen läßt gegenüber jener ganz vom
Gegenstand erfüllten Kunst. Die Monumental-Malerei
bleibt wie die große Tragödie den Großen Vorbehalten,
die alle Wirkungsmittcl, auch die dekorativen, gleichviel
beherrschen und sich ganz an den Gegenstand hingeben
können ohne jeden künstlerischen Vorbehalt, weil ihr
Genie doch alles von selbst in große Formen gießt.
Insofern ist die dekorative Malerei immer nur ein
Surrogat, aber für die Ausmalung von Räumen das
einzig erträgliche. Wenn einer im Stil Rethels die
Wände zu füllen versucht, der kein Rethel ist, wofür
daS Aachener Rathaus gleichfalls die Beispiele liefert,
so wird mit einer dem Laien kaum merklichen Ver-
schiebung gleich etwas unsagbar Klägliches daraus, weil
gerade jenes instinktive Gefühl für große dekorative
Formen, das dem Genie todsicher innewohnt, verlassen
und so statt großer Ordnung eine bunte kleinliche Un-
ordnung gegeben wird, worin daS Schicksal so ziemlich
aller Historienbilder der
letzten fünfzig Jahre
bestand.
Die Franzosen hatten
das Glück, in Puviö de
Chavanncs einen Künst-
ler monumentaler
Größe nicht nur zu be-
sitzen, sondern auch
rechtzeitig zu erkennen,
während wir Deutschen
Feuerbach wie Marses
verunglücken ließen und
uns zurzeit gegen den
Schweizer Hodler, in
dem sich daS Genie
Rethels in gerader Linie
sortzusctzcn scheint, mit
wahrem Fanatismus
wehren. Die Franzosen
können uns auch einen
Künstler zeigen, der,
seinen großen Meister
begreifend, sich kluger-
weise aus das Dekora-
tive beschränkt und sich
somit als ein wahrer
Schüler von ChavanncS
erweist: Maurice St.
DeniS. Von ihm wurde
in Aachen ein liebens-
würdiges Bild gezeigt,
daS am vollkommensten
das erfüllt, waö wir
für unsere Kirchen und
sonstige Hallen haben müssen: Bescheidung vor dem
Gegenstand, den Großen seine große Prägung über-
lassend, dekorative Aussüllung einer Fläche, ohne Allüren,
in sanften klug gestimmten Farben und ruhigen Linien,
so diskret, daß jener kunstgewerbliche Beigeschmack, der
wie gesagt bei den Arbeiten Thorn Prikkers ihre deko-
rative Wirkung unangenehm hindert, beseitigt ist.
Von solcher Art müßte der Lehrer einer dekorativen
Schule sein, die als erstrebenswertes Ziel aus diesem
Teil der Aachener Ausstellung anspricht. Und da müssen
wir schon eingcstchen, daß wir Deutschen einen solchen
Lehrer hätten, allerdings ganz und gar nicht als christ-
lichen Künstler. Liebenswürdiger und zarter kann man
Richmond, London: Entwurf zu einer» Kuppelmosaik für St. Paul, London.