Paul Nößler, Dresden: Entwurf für die Jnnenausmalung einer pro-
testantischen Stadtkirche.
die Forderung reiner Dekorationen kaum erfüllen, als
sie Ludwig von Hofmann in seinen Wandgemälden für
die Museumshalle in Weimar erfüllt hat. Wenn wir
heute hören, daß einmal die Möglichkeit bestand, diesen
Künstler an die Düsseldorfer Akademie zu ziehen, müssen
wir aufs neue jene Engherzigkeit beklagen, die den staat-
lichen Kunstcinrichtungen in Preußen als ein unzerstör-
bares Erbübel anzuhaften scheint.
Nun ist mit Absicht bislang in dieser Betrachtung
etwas Apartes übergangen worden, ein Ereignis, das
sich in klösterlicher Stille vollzog und alles bestätigt,
was über die Möglichkeit einer dekorativen Schulung
hier gesagt wurde: Das Benediktinerkloster Beuron im
Hohenzollern-Sigmaringischen hatte anfangs der siebziger
Jahre das Glück, in ?. Desiderius Lenz und ?. Gabriel
Wüger zwei künstlerisch begabte Brüder zu besitzen, die
ganz im Sinn altklösterlicher Kunstübung abseits vom
Modegang der Malerei auf ihre Weise und für die
Zwecke ihres Ordens Kunst zu treiben begannen und
schließlich eine moderne Klosterkunstschule gründeten,
deren Leistlingen, in Aachen wie vordem in Wien in
einen, besonderen Raun, gezeigt, alles andere
auf die Seite des Versuchs stellten durch die
würdige und unbcirrte Vollendung ihrer Bil-
dungen. Vom Bau ihrer Kapellen bis zur Aus-
malung und Ausschmückung mit jeder Art von
Stickerei und Mctallgcrät ist ihre Arbeit ge-
gangen; und wenn auch kaum so etwas wie
ein eigener Stil bei ihnen ausgebildet ist, so
haben sie doch durch liebevolle Versenkung und
geduldige Arbeit alter Schönheit ein neues Ge-
sicht geben können, so daß man mit wahrhafter
Freude Stück für Stück ihrer Arbeiten betrachtete,
mit dem besonderen Vergnügen an der modernen
Aufmachung, in der sic ihre Sarden zeigten.
Bei ibnen wurde deutlich, daß die Grund-
lage aller kirchlichen Kunst bei den, üblichen
Reichtum an innerer Ausstattung lind kirchlichen
Gebrauchsgegcnständcn das ist, was wir heute
Kunstgewerbe oder angewandte Kunst nennen.
Von hier auS — nicht von der „hohen Kunsts
aus, wie man lange glaubte — wird man eine
Wiederbelebung versuchen können. Das zu zeigen,
war wohl die eigentliche Absicht der Aachener
Ausstellung. Aachen ist ein Hauptplatz der
kirchlichen Goldschmiede- lind Stickerei - Werk-
stätten. Ein großer Kreis rheinischer Kirchen
wird von hier aus versorgt; wie selbst aus
manchem ausgestellten Stück ersichtlich war,
nicht immer im Sinn irgend einer idealen For-
derung. Wie überall, war auch in Aachen das
ehemals blühende Kunsthandwerk in Technik
und Material heruntergekommen, wovon sich
vereinzelte Werkstätten erst mühsam befreien.
Ihnen zur Hilfe zu kommen, zum Gegen-
beispiel der landläufigen geringen Sachen, war
das Beispiel cineö Saales mit alte» Werken
christlicher Kunst gegeben, der zweifellos den
eigentlichen Anziehungspunkt der Ausstellung aus-
machte. Aus der Umgebung AachenS, namentlich
aus der holländisch-belgischen Nachbarschaft, waren
herrliche Stücke der Kirchenschätze beigebracht worden, die
immer wieder wie bei den, Reliquienschrcin zu Amay
oder beim Religuienkreuz aus St. Servatius zu Mastricht
den nachtwandlerischen Geschmack der alten Handwerks-
meister staunend bewundern lassen. Die Einzelbeschreibung
der Stücke steht den, Verfasser nicht an noch liegt sic
im Rahmen dieser Betrachtung; doch darf hier wohl
gesagt werden, daß die Aufstellung der Gegenstände
durch Or. H. Schweitzer das Gesamtbild dieser alten
Kunstwclt ebenso glänzend gab, wie eö die Betrachtung
jedes einzelnen Stückes ermöglichte. Es war ein Daal
zum Schwelgen in der Schönheit vortrefflicher Metall-
behandlung und wunderbaren Emails, so schön, daß
mail seines eigentlichen erziehlichen Zweckes fast vergaß
und sich draußen etwas verwundert in den Kojen des
moderneil KunstgcwcrbcS fand.
Denn auch aus den, Modernen zur Anregung des
heimischen Handwerks die guten Beispiele beizubringen,
hatte der rastlose Organisator dieser Ausstellung Professor
M. Schmid nicht versäumt. Die Kunstgcwerbeschule zu
Düsseldorf und mehr noch diejenige von Krefeld unter
140