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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 14.1907

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Heftt 11
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Schmitz, Hermann: Die Soester Malerei im Anfang des 15. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.26457#0166

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Die Soester Malerei im Anfang des 15. Jahrhunderts.

der Bauern aus der starkbesiedcltcn Börde; aus dem
Arnsbcrgischen, ja von: Sintfeld kommen sie her.
St. PatrocluS und St. Petrus sehen aus das Treiben
herab; das Goldblech an den Fenstcrsäulcn ist verblichen;*
aber der grüne, unvergleichlich schöne Stein leuchtet durch
die Jahrhunderte. „Man wird hier wie von selbst zum
Altertume hingcführt, und eine erinnernde Stimmung
bemächtigt sich der Seele" (Jmmcrmann).
„Sic waren zu einen: geräumigen Wiesenplatze
gekommen, welcher aber gleichwohl noch innerhalb der
Ringmauern der Stadt lag. Aus demselben erhob sich
eine alte gotische Kirche, grün wie die Wiese" (Immer-
mann). Das ist Maria zur Wiese. Ain Ende des
südlichen Ncbcnschiffö zieht der Jakobsaltar die Blicke
aus sich. Aus den Flügeln leuchten vier Heilige; sic
stehen auf gemustertem Boden, über sich glühendrote
Baldachinarchitekturcn mit grüngcstrichencn Gewölben.
Schlägt man die Klappen aus, so erscheinen auf der
linken die anbetcnden Könige, auf der rechten die um
daS Bett der sterbenden Maria versammelten Apostel;
auf der Mitteltafcl aber als wichtigste Angelegenheit die
Kreuzigung. Atif der brcitgczogenen von rotgestrichencm
Rahmen eingefaßten Fläche drängen sich viele bunte
Figuren tun die drei Kreuze, mehr als die untere Hälfte
des Bildes ausfüllend. Es ist ein Gewimmel von
roten, hellblauen, moosgrünen Gewändern, weißen Kopf-
tüchern. Rechts ist eine Reiterschar: rothaarige Jüng-
linge in Gold- und Silberbrokat, mit Zacken- und
Zaddclwerk, auf plumpen roten und grauen Pferden,
deren Schwänze aufgebunden sind. Dahinter Juden

* Vielleicht war auch das Dach mit bunten Mustern bedeckt.
Vergl. Effmann, Deutsche Bauzeitung 1887.

mit spitzen Turbanen; rechts geharnischte Knechte in
silberglänzenden Rüstungen. Zwischendurch links und
rechts Knaben mit Armbrüsten; einer zu Pferde, ein
Kränzchen im Haar, wie zum Schützenfest; die Christum
gekreuzigt, sind wahrhaftig Wcstfälingcr gewesen.* Diese
grellen Farben glühen hell auf vor dem dunkclgebräunten
bebuschten Erdreich. Zwei rotgefärbte Burgen auf
Waldhügcln links und rechts am Rande. Die Fröhlich-
keit steigert sich durch das Gold und Silber der
Rüstungen. Dieser Altar, zwar roh und beschädigt, ist
als Typus für einen Soester Altar beschrieben; schon
wegen seiner Aufstellung am ehemaligen Ort, vor den
nackten grünen Mergelwändcn, in dem Hellen, sonnen-
durchleuchteten Hallcnraum der Maria zur Wiese. Die
Freude am bunten Leben ist nun aber gedämpft durch
stille Feierlichkeit, wie sic den Bildern an der Scheide
dcS Mittelalters eigen ist. Alles ist noch auö der
Ferne gesehen; nichts von dem Geschrei, das die
KrcuzigungSdarstcllungen der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts erfüllt; auch würde man ein Abendmahl
nicht finden, wo Schinken gegessen und Bier maßkrug-
wcise getrunken wird. (Vgl. das Wildunger Abend-
mahl mit der Glasmalerei im nördlichen Portal der
Wicsenkirche, 15. Jahrhundert, zweite Hältte). Übrigens ist
die Snmmetric gewahrt; hierin und in dem vielen Golde
spricht sich die fromme Gesinnung aus. Man könnte an eine
Nachwirkung der byzantinisierenden Malerei des 13. Jahr-
hunderts denken.** Or. Hermann Schmitz.
" Christliche Altertümer oder Beweis, daß die, so Christum
gekreuzigt und Johannem den Täufer enthauptet, Westfälinger
gewesen. Solingen >79Z (Wiederabdruck Köln 18öO).
** Deren wichtigste Werke in Soest entstanden sind.


Mittelfeld vom Jakobi-Altar in „Maria zur Wiese", Soest.
 
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