1 End noch einmal die
Bühne Immermanns.
Die kleine Abbildung einer Skizze zur Dekoration
des letzten Aktes vom Kaufmann zu Venedig kann nur
eine Andeutung geben, wie zauberisch das Bühnenbild
selber im Schauspielhaus zu Düsseldorf war. Man weiß,
wie dieser Akt voll innigster Lyrik ganz unbekümmert
der leidenschaftlichen Gerichtsszene angehängt ist, unkünst-
lerisch fast oder wenigstens nicht konstruktiv; und dennoch
als ein Mcisterzug dieses aller theoretischen Klauberei
spottenden Genies. Das Drama ist zu Ende, wenn der
Jude zertreten und verhöhnt beiseite kriechen muß; doch
wäre dieses Ende häßlich und würdig einem antisemitischen
Tcndenzstück. So nimmt der große Dichter uns sacht
bei unfern Ohren: Nein Herrschaften, so entlasse ich
euch nicht. Nun sollt ihr hören, was für Kerle dies
sind, die einen Juden so über Gebühr mißhandeln
konnten. Und merkwürdig, wie das Liebespaar daliegt
im weichen Gras und unter allen Sternen, und wie
die Seele ihnen zu singen anfängt und aus die Lippen
drängt in urheimatlichcn Worten: Da ist es doch nicht
anders, als wäre der vcnetianische Jüngling der Tochter
des Juden gefolgt in die Urwälder orientalischer Poesie.
Schöneres wird in dem ganzen Stück nichts gesprochen
und selten bei Shakespeare etwas, das so verträumt, so
sentimental versunken ist. Dieselbe Tochter hat ihren Vater
Wunderwald: Skizze zu einer Dekoration für den letzten
Akt zum „Kaufmann von Venedig".
brutal bestohlen und ihr Vater hat um seine Ringe mehr
gejammert als um sie: kraß stehen diese Eigenschaften
gegeneinander und stimmen nicht für unser Gefühl. Der
Dichter aber, der unö die eine Seite zeigte und unserm Spott
preisgab, er holt zum Schluß die andere her und über-
schüttet unö mit Poesie, die aus dem selben Volke kommt.
Nun denke man sich diese Dekoration im blauesten
Silberlicht (denn Licht im Raum ist anders als Farbe
auf dem Papier) und nun da mitten vor dem Brunnen,
ausleuchtcnd mit ihren Gewändern wie rot und braun
gefleckte Panthertiere, die Menschen des letzten Aktes
darein, die alle kaltblütig rohe Sachen taten und nun
so zarter Poesie erfüllt und dennoch so handfest sind
nach Shakespearischer Art, um auch das mit einigen
derben Witzen abzuschüttcln: mir ist bei diesem Anblick
zum erstenmal glaubhaft geworden, daß es auch Bühnen-
bilder gibt, die das Wesen einfacher Dekoration über-
schillernd doch einen künstlerischen Genuß vermitteln
können, der sich wohl neben der feinen Leinwand eines
Künstlers hält. Dieses Bild war traumhaft schön und
stark zugleich, nicht süß und dennoch zart wie ein Ge-
spinnst aus Seide, viel schönere Musik dazu als die von
Humperdink, obwohl die sehr geschmeidig die süße Lyrik
in diesen: brutalen Stück umkleidete.
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Und, nicht um paradox zu werden: wenn man so
bald nach diesem Kaufmann, der im Recht ist, wenn
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