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as Projekt von Peter Behrens
zu einer evangelischen Kirche in
Hagen i. W.
„Aus dem Musiksaul von Peter Behrens könnte
unschwer eine moderne protestantische Kirche gemacht
werden", sagte mir ein Mann von irgend einer Kirchen-
regierung auf dem Protestantischen Kirchcnbautag in
Dresden 1906. Der Mann kam eben von der Kölner
Ausstellung.
Ich war nicht wenig erfreut, neulich beim Mann-
heimer Feste zu hören, daß Peter Behrens einen großen
Entwurf für die Kirche in Hagen i. W. gemacht habe.
Heute siegelt die Pläne vor mir. Ich habe sie in der
Frühe am Sommcrmorgen mit in den Wald hinauf-
genommen und lange in den wenigen Strichen gelesen.
Und nun möcht ich sagen: cs bleibt so, das Einfachste
ist das Größte. Das Neue muß ans Einfache anknüpfcn,
wenn es wieder groß werden will. Das hat Peter
Behrens getan. Andere habens auch schon getan und
versucht. Peter Behrenö hat cs anders getan. Er hat
allcö das weggelassen, was den anderen an Stilerinne-
rungen zwischen den Fingern immer wieder sich hinein-
gestohlen hat.
Ob Peter Behrenö mit dieser kunstgcschichtlichen
Voraussetzungslosigkeit siegen wird bei den Bürgern
HagcnS, weiß ich nicht. Denn das Einfache, Große ist
nicht auf dcit Geschmack der Allgemeinheit berechnet,
am wenigsten in einem Zeitalter, das so sehr beherrscht
wird von Stilcrinnerungcn, wie das unsere. Daß die
kommende Generation die Kirche von Peter Behrenö
sofort bauen wird, ist mir kein Zweifel. Aber — es
muß auch einmal das psychologische Moment untersucht
werden, und daö ist bisher noch kaum gescheben: in
den Kirchengemeinderäten, wie man bei uns im
Schwabenland sagt, sitzen konservative Herrn. Wenn
sie den gotischen Jugcndtraum überwunden haben, so
ist daö schon viel. Manche haben seither schon gebieder-
meiert, sind unbefriedigt von dem Tasten der Moderne —
und wenn sie nun ein Votum abgeben sollen für
eine Kirche, so sagen sie in den: richtigen Bestreben,
smiota Zuiioto: Wir »vollen unschuldig sein an einem
Odium in unserer Stadt; nehmen wir also bei einem
Wettbewerb das Kirchenprojekt an, daö die meisten
Kirchengenossen verstehen. Dieser humane Konser-
vativismus ist der Totengräber für manches geniale
moderne Kirchcnbauprojekt schon gewesen.
Peter Behrens hat übrigens gar nicht das Bewußt-
sein der architektonischen Voraussetzungslosigkeit für seine
Hagener Kirche. Er sagt in der nachher zu nennenden
Baubcschrcibung, daß ihm Basilika und protcstailtisches
Barock als Leitsterne gedient haben. Der Künstler selbst
allerdings — und daö ist gut so und ein neuer Beweis
für die Tatsache deö unterbewußten Künstlcrschaffenö —
hat etwas gemacht, bei dem wir weder an Basilika noch
an protestantisches Barock zu denken brauchen, bei dem
man vielmehr nur die Frage gelöst denken soll, die ich
auch in meiner Rede aus dein Kirchcnbautag in Dresden
stellte: Welche einfachste, aber monumental ge-
dachte Hülle kann ein Architekt über dem ein-
fachsten Kirchcngrundriß ausbauen? Peter Behrenö
hat daö — für mein Gefühl getan.
Wenn die maßgebenden Kreise in Hagen daö Be-
dürfnis haben, einen originalen, genialen, entwicklungs-
und geschichtlich wertvollen Kirchenbau um ihre über
200 OOS Mark zu bekommen, so sollten sie sich dieses
Projekt nicht entgehen lassen. Denn wer nach den:
letzten Kirchenbautag Anspruch aus Beachtung sach-
verständiger Kreise machen will, der muß nun schon
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