Das Projekt von Peter Behrens zu einer evangelischen Kirche in Hagen i. W.
die Güte haben, mit kühner Entschlossenheit nicht nur
Geld zu verbauen, sondern mitzuarbeitcn an einem der
herrlichsten Kunstproblcme aller Zeiten. Man baut
heutzutage nicht für die absterbende Generation, sondern
für die, die uns eben an die Schulter hcraufwächst.
Ich war neulich bei einem Gustav-Adolf-Fest in der
Industriestadt Heidenheim i. Württemberg. Da ist eine
Kirche, etwas unbeholfen, aber im llbergangöstil der
suchenden Grundrißgcdanken. Ich habe in dieser Kirche
doppelt den Hut abgezogen. Der Philosoph Hegel
würde vielleicht von solchen Kirchen gesagt
haben: man fühlt in ihnen das Denken des
göttlichen Geistes.
Und den sollten wir doch vor allem in protestantischen
Gotteshäusern auch künstlerisch und baupraktisch fühlen
dürfen. Es würde zn weit führen, hier ans den ganzen
reichen Inhalt der
durch den II. Prote¬
stantischen Kirchen¬
bautag neu aufgerüt¬
telten Probleme und
Forderungen einzu¬
gehen. Vielleicht ein
andermal darüber.
Aber nun zu der
Kirche von Peter
Behrens, ohne den
hemmenden Gedan¬
ken, daß die Hagener
sie vielleicht nicht
bauen. Ich möchte
mir diesen Zeilen dann
irgend einer andern
Kirchengemeinde Lust
und Liebe zu der Kunst
von Peter Behrens
machen. Wenn ich
denke, welche Wider¬
sprüche die Kirche
von Theodor Fischer
in Scbwabing über
sich ergehen lassen
mußte — heute ist sie
schon zehnmal minde¬
stens von anderen
Leuten „variiert". — Vor den: Widerspruch braucht
man sich nicht allzusehr zu fürchten.
* *
*
Ich sagte, daß Peter Behrens für mich die Kapital-
frage — natürlich in seiner individuellen Art und
Sprache — gelöst habe: „Welche einfachste, aber
monumentale Hülle kann ein Architekt über dem
einfachsten Kirchengrundriß ausbauen?"
Diese einfache Frage ist tatsächlich eine Doppelsrage:
Welches ist der natürlichste Grundriß und welches ist
die natürlichste-Hülle? — Die Begriffe „einfach" und
„natürlich" müssen sich in einer richtigen Ästhetik decken!
Ebenso wird eine richtige Ästhetik auch Harmonie
von Grundriß und Aufbau verlangen. Das hat Peter
Behrens meisterlich gemacht.
Dieser Kirche siebt man schon von außen an, daß
sie auch im dekorativen und perspektivischen Innen-
raum dem Grundgesetz der Einfachheit unterworfen ist.
Schon die Umrahmung und der Terrassenausgang
verzichten aus allen ornamentalen Kleinzierat. In
dieser Skala liegt antike Tempelruhe. .Wer diese ein-
fachen ernsten Treppen in sein Gotteshaus aussteigt, wird
auch keine Tiraden in dem Gottesdienst dieser Kirche
erwarten. Aber diese Einfachheit wird ibn weder nüchtern,
noch bedrückend berühren. Aussteigend grüßt ihn eine
drcibogige, heimelige Loggia voll ernster germanischer
Behaglichkeit, und neben der bürgerlich gedrungenen
Loggia des Verbindungsgangs zwischen Pfarrhaus und
Kirche — schon eine wundervolle Symbolik an und für
sich — steigt ein Turmriese unvermittelt aus seiner linken
Flanke auö dem Erdreich. Jeder muß ihn sehen. Jeden
will er grüßen in seiner
diagonal - beherrschen-
den Herrschcrstcllung.
Mit einfachsten
Mitteln der Grundriß-
bildung ist dein Turin
sein Recht gegeben:
Lursum oorcla!
Und die Ästhetik
des Turmes selbst?
ES ist ein Kampanile,
ein Bruder des seligen
Kampanile von San
Marco. Aber noch
einfacher als dieser in
seinen Maßen und
Proportionen. In
kühner Verjüngung
steigt er in die Wolken.
Uber schmalem Bande
setzt er ab und wird
Auge und Mund zu-
gleich — mit viel
Augen schaut er ins
Land. Und der Glocken
Klang schallt aus
Mund und Mund.
Diese langen, recht-
winkligen Schall-
fenster, die zugleich wie eine hohe Säulenarkade wirken,
geben dem Ganzen das lineare Grundmotiv. —
Vom Turm unter dem freien Himmel bis zum
Altar in der stillen Chornische klingt ein ornamentales
Grundmotiv: gerade Linie lind Rechteck und recht-
winkliger KubuS. Der vierkantige Spitzturm löst das
zweite primitive Grundmotiv aus: das Dreieck, das
harmonisch und symbolisch fast an den zwei Dachgicbcln
der Frontseiten wiederklingt. Mit einen: ruhigen Gleiten
sinkt das Auge herab aus das gewaltige Massiv des
einfachen basilikenartigcn Langbaues.
Das Langhaus belebt ein mäßig ausladender Vorbau,
dessen Zweck, Lichtbringer zu sein, sofort in die Augen
springt. Die hohen, säulenbildenden, oblongen Fenster
beleben die Eingangssront. Die Photographie läßt die
genauere Durchbildung des Portals nicht erkennen. Sie
die Güte haben, mit kühner Entschlossenheit nicht nur
Geld zu verbauen, sondern mitzuarbeitcn an einem der
herrlichsten Kunstproblcme aller Zeiten. Man baut
heutzutage nicht für die absterbende Generation, sondern
für die, die uns eben an die Schulter hcraufwächst.
Ich war neulich bei einem Gustav-Adolf-Fest in der
Industriestadt Heidenheim i. Württemberg. Da ist eine
Kirche, etwas unbeholfen, aber im llbergangöstil der
suchenden Grundrißgcdanken. Ich habe in dieser Kirche
doppelt den Hut abgezogen. Der Philosoph Hegel
würde vielleicht von solchen Kirchen gesagt
haben: man fühlt in ihnen das Denken des
göttlichen Geistes.
Und den sollten wir doch vor allem in protestantischen
Gotteshäusern auch künstlerisch und baupraktisch fühlen
dürfen. Es würde zn weit führen, hier ans den ganzen
reichen Inhalt der
durch den II. Prote¬
stantischen Kirchen¬
bautag neu aufgerüt¬
telten Probleme und
Forderungen einzu¬
gehen. Vielleicht ein
andermal darüber.
Aber nun zu der
Kirche von Peter
Behrens, ohne den
hemmenden Gedan¬
ken, daß die Hagener
sie vielleicht nicht
bauen. Ich möchte
mir diesen Zeilen dann
irgend einer andern
Kirchengemeinde Lust
und Liebe zu der Kunst
von Peter Behrens
machen. Wenn ich
denke, welche Wider¬
sprüche die Kirche
von Theodor Fischer
in Scbwabing über
sich ergehen lassen
mußte — heute ist sie
schon zehnmal minde¬
stens von anderen
Leuten „variiert". — Vor den: Widerspruch braucht
man sich nicht allzusehr zu fürchten.
* *
*
Ich sagte, daß Peter Behrens für mich die Kapital-
frage — natürlich in seiner individuellen Art und
Sprache — gelöst habe: „Welche einfachste, aber
monumentale Hülle kann ein Architekt über dem
einfachsten Kirchengrundriß ausbauen?"
Diese einfache Frage ist tatsächlich eine Doppelsrage:
Welches ist der natürlichste Grundriß und welches ist
die natürlichste-Hülle? — Die Begriffe „einfach" und
„natürlich" müssen sich in einer richtigen Ästhetik decken!
Ebenso wird eine richtige Ästhetik auch Harmonie
von Grundriß und Aufbau verlangen. Das hat Peter
Behrens meisterlich gemacht.
Dieser Kirche siebt man schon von außen an, daß
sie auch im dekorativen und perspektivischen Innen-
raum dem Grundgesetz der Einfachheit unterworfen ist.
Schon die Umrahmung und der Terrassenausgang
verzichten aus allen ornamentalen Kleinzierat. In
dieser Skala liegt antike Tempelruhe. .Wer diese ein-
fachen ernsten Treppen in sein Gotteshaus aussteigt, wird
auch keine Tiraden in dem Gottesdienst dieser Kirche
erwarten. Aber diese Einfachheit wird ibn weder nüchtern,
noch bedrückend berühren. Aussteigend grüßt ihn eine
drcibogige, heimelige Loggia voll ernster germanischer
Behaglichkeit, und neben der bürgerlich gedrungenen
Loggia des Verbindungsgangs zwischen Pfarrhaus und
Kirche — schon eine wundervolle Symbolik an und für
sich — steigt ein Turmriese unvermittelt aus seiner linken
Flanke auö dem Erdreich. Jeder muß ihn sehen. Jeden
will er grüßen in seiner
diagonal - beherrschen-
den Herrschcrstcllung.
Mit einfachsten
Mitteln der Grundriß-
bildung ist dein Turin
sein Recht gegeben:
Lursum oorcla!
Und die Ästhetik
des Turmes selbst?
ES ist ein Kampanile,
ein Bruder des seligen
Kampanile von San
Marco. Aber noch
einfacher als dieser in
seinen Maßen und
Proportionen. In
kühner Verjüngung
steigt er in die Wolken.
Uber schmalem Bande
setzt er ab und wird
Auge und Mund zu-
gleich — mit viel
Augen schaut er ins
Land. Und der Glocken
Klang schallt aus
Mund und Mund.
Diese langen, recht-
winkligen Schall-
fenster, die zugleich wie eine hohe Säulenarkade wirken,
geben dem Ganzen das lineare Grundmotiv. —
Vom Turm unter dem freien Himmel bis zum
Altar in der stillen Chornische klingt ein ornamentales
Grundmotiv: gerade Linie lind Rechteck und recht-
winkliger KubuS. Der vierkantige Spitzturm löst das
zweite primitive Grundmotiv aus: das Dreieck, das
harmonisch und symbolisch fast an den zwei Dachgicbcln
der Frontseiten wiederklingt. Mit einen: ruhigen Gleiten
sinkt das Auge herab aus das gewaltige Massiv des
einfachen basilikenartigcn Langbaues.
Das Langhaus belebt ein mäßig ausladender Vorbau,
dessen Zweck, Lichtbringer zu sein, sofort in die Augen
springt. Die hohen, säulenbildenden, oblongen Fenster
beleben die Eingangssront. Die Photographie läßt die
genauere Durchbildung des Portals nicht erkennen. Sie