as große N.
In Aachen ist in diesem Sommer ein Bis-
marckturm eingeweiht worden. Dieser Turm
ist kein gewöhnlicher Turm, keine einfache Architektur,
sondern dieser Turm ist eine über 30 w hohe Statue.
Und an dieser Statue sind wieder kleinere aber immer
noch riesige Skulpturen befestigt, das sind die Büsten
von Bismarck, Moltke und Roon. Und die über 30 m
hohe Statue trägt eine große Mütze, das ist eine steinerne
Hcrzogskronc, weil Fürst Bismarck ein Herzog war.
Diese Krone ist so gewaltig, daß viele Menschen darin
Platz haben und von da oben die Aussicht genießen
können. Nun ist aber die Monumcntalfigur keine Ger-
mania oder irgend eine andere allegorische Gestalt, sondern
eö ist — ein lateinisches U. Das soll heißen: Seht
dieses 30 m hohe B - so ehren wir den größten Mann,
dessen Name mit einem B anfing. Und weil dieser
Mann auch noch Herzog von Laucnburg wurde, so haben
wir aus das B eine große Hcrzogskronc gesetzt.
Man sollte dem Himmel wenigstens danken, daß
es ein lateinisches und kein deutsches B geworden ist,
obwohl das deutsche B der allgemeinen Sachlage und
auch der Schreibgcwohnheit Bismarcks mehr entsprochen
hätte. Aber der Architekt erkannte hier doch, wohl die
Grenzen seiner Kunst, und von dem wichtigen Grundsatz
ausgehend, daß Form und Inhalt auseinander Rücksicht
zu nehmen hätten, opferte er die Reinheit der Idee den
höheren Gesetzen der Kunst: er entschied sich für das
ruhigere wenn auch dem vaterländischen Herzen nicht
so nahestehende lateinische L.
Aber trotz dieser lobens-
werten Konzession genügt daö
große L in Aachen weder
den Ansprüchen der Kunft-
noch der Schreibsachver-
ständigen. Doch soll uns
der Standpunkt der zweiten
Gruppe nicht weiter kümmern.
Welch ein Bild trauriger
Senilität und des Mangels
jeder künstlerischen Erfin¬
dungskraft spricht aus diesem
Werk. Wie kompromittiert cS uns, als das Zeugnis
eines phantasielosen BuchftabcngcisteS, vor unseren Zeit-
genossen und besonders vor der kommenden Generation.
Daß sic uns damit unrecht tun, bedarf - wie mit-
scheint - keines Beweises. Gerade deshalb sollte man
aber auch solche vereinzelten schrecklichen Abirrungen nicht
unwidersprochen dulden und ihnen ohne Rücksicht aus
Gegenangriffe zu Leibe rücken.
Anlaß zu diesem offenen Wort gibt die mir soeben
bekannt gewordene Tatsache, daß wir dem für die neue
Ritterburg in Altena in Aussicht genommenen Architekten
und eifrigsten Förderer dieses unseligen Gedankens auch
dieses große B in Aachen zu verdanken haben. — Da
eö den: Einspruch fast der gesamten Kunstwissenschaft
bisher — wie es scheint — nicht gelungen ist, das Vor-
haben zu Fall zu bringen weder mit historischen noch
mit ästhetischen Widerlegungen, so werden es diese Zeilen
natürlich auch nicht tun. Dennoch scheint cs mir gerade
iit solchen Fällen Pflicht, ohne alle Rücksichten Farbe
zu bekennen.
Ich null aus die von den Professoren Ehrenberg in
Münster und Dehio in Straßburg bewiesene Unmög-
lichkeit einer sogenannten „Wiederherstellung" gar nicht
cingehen;* denn baute man ein neues architektonisches
Kunstwerk aus die Reste, so täte inan nur der Geschichte
webe, und daö ließe sich vielleicht noch ertragen. Mei»
Einspruch gilt dem Architekten; wobei mich allerdings
die Beobachtung mit einiger Ironie erfüllt, daß cs dem
Erbauer des großen B vorbehalten war, die künstlerische
Erfindungsgabe für sich in Anspruch zu nehmen, die ein
nach dem Urteil aller Fach-
genossen unlösbares Problein
erforderte.
vr. Hans Wendland.
" Siehe für diese Frage die
kürzlich erschienene Arbeit von
H. Ehrenberg: Moderne Denk-
malpflege und die Burg Altena.
Münster l?07. Daselbst auch eine
Auswahl der maßlosen Schmä-
hungen, mit denen der Architekt
der neuen Burg ihm unbequeme
Gegner bedachte.
In Aachen ist in diesem Sommer ein Bis-
marckturm eingeweiht worden. Dieser Turm
ist kein gewöhnlicher Turm, keine einfache Architektur,
sondern dieser Turm ist eine über 30 w hohe Statue.
Und an dieser Statue sind wieder kleinere aber immer
noch riesige Skulpturen befestigt, das sind die Büsten
von Bismarck, Moltke und Roon. Und die über 30 m
hohe Statue trägt eine große Mütze, das ist eine steinerne
Hcrzogskronc, weil Fürst Bismarck ein Herzog war.
Diese Krone ist so gewaltig, daß viele Menschen darin
Platz haben und von da oben die Aussicht genießen
können. Nun ist aber die Monumcntalfigur keine Ger-
mania oder irgend eine andere allegorische Gestalt, sondern
eö ist — ein lateinisches U. Das soll heißen: Seht
dieses 30 m hohe B - so ehren wir den größten Mann,
dessen Name mit einem B anfing. Und weil dieser
Mann auch noch Herzog von Laucnburg wurde, so haben
wir aus das B eine große Hcrzogskronc gesetzt.
Man sollte dem Himmel wenigstens danken, daß
es ein lateinisches und kein deutsches B geworden ist,
obwohl das deutsche B der allgemeinen Sachlage und
auch der Schreibgcwohnheit Bismarcks mehr entsprochen
hätte. Aber der Architekt erkannte hier doch, wohl die
Grenzen seiner Kunst, und von dem wichtigen Grundsatz
ausgehend, daß Form und Inhalt auseinander Rücksicht
zu nehmen hätten, opferte er die Reinheit der Idee den
höheren Gesetzen der Kunst: er entschied sich für das
ruhigere wenn auch dem vaterländischen Herzen nicht
so nahestehende lateinische L.
Aber trotz dieser lobens-
werten Konzession genügt daö
große L in Aachen weder
den Ansprüchen der Kunft-
noch der Schreibsachver-
ständigen. Doch soll uns
der Standpunkt der zweiten
Gruppe nicht weiter kümmern.
Welch ein Bild trauriger
Senilität und des Mangels
jeder künstlerischen Erfin¬
dungskraft spricht aus diesem
Werk. Wie kompromittiert cS uns, als das Zeugnis
eines phantasielosen BuchftabcngcisteS, vor unseren Zeit-
genossen und besonders vor der kommenden Generation.
Daß sic uns damit unrecht tun, bedarf - wie mit-
scheint - keines Beweises. Gerade deshalb sollte man
aber auch solche vereinzelten schrecklichen Abirrungen nicht
unwidersprochen dulden und ihnen ohne Rücksicht aus
Gegenangriffe zu Leibe rücken.
Anlaß zu diesem offenen Wort gibt die mir soeben
bekannt gewordene Tatsache, daß wir dem für die neue
Ritterburg in Altena in Aussicht genommenen Architekten
und eifrigsten Förderer dieses unseligen Gedankens auch
dieses große B in Aachen zu verdanken haben. — Da
eö den: Einspruch fast der gesamten Kunstwissenschaft
bisher — wie es scheint — nicht gelungen ist, das Vor-
haben zu Fall zu bringen weder mit historischen noch
mit ästhetischen Widerlegungen, so werden es diese Zeilen
natürlich auch nicht tun. Dennoch scheint cs mir gerade
iit solchen Fällen Pflicht, ohne alle Rücksichten Farbe
zu bekennen.
Ich null aus die von den Professoren Ehrenberg in
Münster und Dehio in Straßburg bewiesene Unmög-
lichkeit einer sogenannten „Wiederherstellung" gar nicht
cingehen;* denn baute man ein neues architektonisches
Kunstwerk aus die Reste, so täte inan nur der Geschichte
webe, und daö ließe sich vielleicht noch ertragen. Mei»
Einspruch gilt dem Architekten; wobei mich allerdings
die Beobachtung mit einiger Ironie erfüllt, daß cs dem
Erbauer des großen B vorbehalten war, die künstlerische
Erfindungsgabe für sich in Anspruch zu nehmen, die ein
nach dem Urteil aller Fach-
genossen unlösbares Problein
erforderte.
vr. Hans Wendland.
" Siehe für diese Frage die
kürzlich erschienene Arbeit von
H. Ehrenberg: Moderne Denk-
malpflege und die Burg Altena.
Münster l?07. Daselbst auch eine
Auswahl der maßlosen Schmä-
hungen, mit denen der Architekt
der neuen Burg ihm unbequeme
Gegner bedachte.