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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 21.1911

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Heft 6
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Baur, Albert: Zürichs künstlerische Kultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.26495#0221

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$üttd)g ^uttur.

^mtfcben ben prohlerifcben ^)oloften bet @efcboftgffro§en,
tn bem arg ^errtffenen (Gürtel von alten iBürgergorten,
ber noch innerhalb ber neuen SSohnquorttere ben Stobt-
fern umfaßt, mitten unter ben erotifcben iBillen, mit
benen man bie Dörfer am See wie mit einer böfen
Ölronfheit burcbfe§t t)at. 3Bo man ficbg am menigffen
verfieht, eröffnet ficb auf einmal ein iBlicf in bie ^)oefie
fener ßett, in bie btgfrete unb Weitere unb vernünftige
üfnmut, bie mie ein 31rfonum ifi gegen bie muffelige
^toff beg mobernen 6rmerbglebeng.
*
Dag neunzehnte ßohrhunbert ermieg fiel) alg un-
erbtttlicber geinb beg achtzehnten. 6g iff, mie menn alle
mit einem neibigen @froll
gegen bie ^Bevorzugten er-
füllt gemefen moren, bie
jene ,,douceur de vivre"
genoffen, bie in ßüricb motfl
anberg aber nicht geringer
mar alg in granfrctcb ttiitcrnt
alten ^Regime. Dag 61enb
ber 91evolutiong^cit legte
91fcf)e über bag gettcr beg
A'unftbanbmerfg; gebaut
mürbe in ber Stobt fajt
gar nicht mehr, um fo mehr,
noch häufigen Daten über
jpaugtoren biefer ßett ^u
fcf)tieffen, in ben politifcb
münbtggemorbenen Dörfern.
Schmer ^u beffimnten
mare ber 6influfj beg be-
beutenbffen ßctrclferg biefer
ßeit, Heinrich ^)eftalo^ig^
auf bag Stobtbilb unb bie
fütifHertfcbejUtlttir ber Stabt.
Die iBolfgfcbtile, bie lang-
fam unb fiarf mie ein iBoum
aug feinem 3Berfe ermttchg,
verbünbete fiel) mit ber De-
mofrotie, von ber man in
unablaffigen ^Reibereien eine
iReinfultur ^u ^ücf)tcn ver-
ftanb mie nirgenbg fonft in
einem Staat vom Umfang
ber Sftepublif ßüricb. iBeibe
Zttfamnten maren gemi^ .SlttU
turfaftoren; aber bie ftdftbare Kultur l)aben fie, ohne
eg zu mollen, fafi umgebroebt. Denn bie Demofratte
unb ilfre Schule führten nicht nur ^brieg gegen bie
31riffofroten, fie befömpften alg j^inbet ffauptfadflic^
ber Canbgemeinben bie Stabte. gollen mußten bie
ßünfte, bie bem ^tonbmerf ben @etff ber 9)ieifier-
hoftigfeit verliehen Ratten, gollen mußten felbft in
ben Ueinften Sonbffobtchen dauern unb Dütme, fo-
meit fie nicht fef)r gut vermertbar moren, alg Stnm
bilber ber alten ßeit unb ihrer SSorrechte.
@o fam über ßüricb ber papierene @etff, ein @eiff
einer oft mortreidfen unb gefchmollenen, ober hoch
ehrlichen unb opfermilligen iBegeifferung, bie @ottfrieb
Heller im (Grünen Heinrich unb namentlich in bem viel
Zu feiten gelefenen IRoman Martin Solonber, bem

Schlüffelmerf zum iBerftonbnig züreberifeber Demofrotie,
befchrieb. ßüricb befeftenfte fiel) tn biefen ßaltren mit
einer Univerfitot; mie arm eg ober getfiig gegen frühere
ßeiten mar, ^etgt ber Umflonb, bo^ eg viele ^)to-
fefforen aug Deutfdtlanb holen mu§te, bie zur ßeit ber
politifd)en Söeoftion gerne in bag Sonb ber greiheit
Zogen. 6g berief gor ben etffen freien Dheologen zu
ficb, Dovtb griebrich Strauß, mag ;mor einen tobeg-
mutigen jbrtegg^ug erbitterter iBoucrtt gegen bie ttn-
gläubige Stobt zur golge Itatte. 6g mürbe @t§
beg eibgenöffifrtfen ^)olptecf)nifuntg unb lieft nun von
feinen yvei ^torl)fcl)ulen aug bag Xtcltt feiner 6ielel)r-
fomfeit mieber meit über bie @d)mei% fftnougffraltlen^
foft mte itit adit^ebntcn ßabrbttnbert.
6g iff ober merfmürbtg^
bo^ bei oller geiffigen iBlüte
eine äußere Kultur nid)t er-
fte^en fonnte mie tn bem
polittf^gefneelftetenDeutfi;}):
lonb %ur iBiebermeier^eit.
Dag ^tonbmerf gebiet ntcl)t
über eine orfttbore SRitteU
maffigfeit Ittnoug^ bte 31rct)U
teftur erfdmpfte fiel) in eini-
gen fHlldongmetltgen meinen
iCtllctt ttael) Dc^tnfelfcf)etu
@d)ento, beren eine fpoter
alg bag f)oug ber 3Befen-
bontfg^ ber greunbe Sflicftorb
3Bognerg^ berüffmt mürbe.
Doyt möre nod) bie in rei-
nen iBertfoltniffen gebaute^
mit ebelffen @oulen ge-
fcf)mücfte goffobe eineg ^<o-
teig am ^lorobeploiß ^u nen-
nen, bie erjf vor menigen
ßaftren gefallen iff. Der
gemöl)nlief)e ^tougbou ver-
fonf in einer fcl)ulmeiffer-
liclten, gerobltntgen 6intönig-
fett, bie ein nterfmürbtgeg
Unvermögen verrat, ^ur
iBeretdferung beg Cebeng
ftnnreiclfe ÜBoftnffotten ^u
febaffen.
6tne iBlüte^eit ber 31r-
dtiteftur — yoor nur eine
folcfte ^meiten iRongeg —
zeitigte ber %ufentf)o!t 6fottfrieb Demperg tn ßüridf,
biefeg gemoltigen Dffeoretiferg unb oft ntdft unbe-
beutenben profttfeben 21rd)iteften. SBir mtffen fo beute,
baff jebe ßett ihre eigene ehrliche Sprache btlben unb
ficb felbff bte gormen febaffen mu§, bie ihrem Seben
Ifeilfom finb; mir ftnb aug bem Dtaume ermaßt, man
fönne in feinen römtfeben ^oloffen ben @eift ber ^<ocb-
renoiffonce ermeefen unb für unfere Doge iBerfe febaffen
loffen; unb boeb müffen mir fo manchen S3ou bemun:
bern, ben biefer üPMffer unb feine Schüler erffellt
hoben. iRein fltngenbe iBtttfif ber iBerhaltntffe, ffol^cr,
ruhiger 31bel ber 6rfcheinung, menn nicht originelle
unb fiatfe fo boeb untabeltg gearbeitete 6in^elformen,
bomit finb mir boeb auch fmute nicht vermöhnt. Unb
biefe SRerfmoIe meifen vor ollem bog mit feiner breiten


^3ieneue.Kttd)eD&et'btaji. ^degbatb & Jp&feti, tKtd)ttUten„ßtltid).

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