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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 21.1911

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Heft 10
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Bab, Julius: Vom Naturtheater
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Braun, Felix: Die Eltern
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https://doi.org/10.11588/diglit.26495#0391

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93cm ütaturtbeoter.

arten) ift noch ein Entlang baran, unb von ben Unter-
nehmungen biefeg Sommerg gehren h'orher etma
Oettigheim, mo ein ganzeg babifcheg Dorf unter gütfrung
feineg ipfarrerg mit Slegeifterung beb „Dell" fpielt, unb
33ernau, mo bie halbe 6inmohnerfchaft beb ntärfifchen
Stäbtcheng bei ben 21ufzügen, Dänzen unb äbompffzenen
beg ^uffitenfptelg mitmirtt. Nur ba§ ba aug einem
geft zu eigner greube fofort ein mohlorganifierteg
Dheatergefchdft für frembe ßufchauer gemorben ift.
Smmetbin liegt liier bie ülnbeutung, mag bie Naturtheater
in iBirtlichfeit fein tonnten. Sie tonnten Niaffen zur
Ntitmirtung bei großen, prächtigen, bunten äboftüm-
fefien horanziehen unb fie fo aug bem ftaubtgen Alltag
ing Neich ethebenber ^Phontafte hinüberlocten. Sie tonnen
bie gefte höherer (Gefellfchoftgfchichten fchmüden unb ver-
ebeln, mie bag hie unb ba bie greiluftauffulmungen
beg „Sommernachtgtraum" unb mancher romantifclfen
unb fchaferlichen Spiele bei befonberen (Gelegenheiten
getan hoben mögen, Su beiben gälten aber, bei ber
SNaffentuft mie bei ber vornehmen (Gefelligteit, hoben
mir eg nicht mit eigentlich tünftlerifchen Darbietungen,
gefchmeige benn mit erhöhter Dheaterfunft zu tun. 6g
tann nicht genug betont merben, baff folche .Kojtütm
fefie unb folche gelegentlichen Spiele im greien, fo
fulturell erfreulich unb fclfbn fie fein mögen, hoch ntemalg
äbunftmerfe, fonbern nur iBorjtufen, Ntittelbinge zmifchen
fcftlicher (Gefelligteit unb mirtltcher fünftlerifcher Dar-
bietung finb. Denn bie ätu.nft bebeutet ntemalg
ein gefelltgeg Spiel mit iBirtlichteiten, fonbern
einen neuen, hohen, gan% in fiel) ruftenben, von
unferem realen Dafetn abgelöften 6rnft.
6g ift ganz richtig, baff fich alle dbunft unb bie Dheater-
tunft zumal aug ben geften beg SSolteg entmtctelt hot;
aber fie hot fich eben aug ihnen tforaug entmictelt,
fie ift uttg heute fKunft, meil fie „befreit im eignen Dafein
glänzt". Darüber ift unfere (Gefelligteit arm, finb unfere
gefte talt gemorben, unb menn nun bie dbunft rüctftrahlenb
biefe S3tlbungen gefelliger 3Birtlichteit ermdrmen mill,
fo ift bag %u loben, unb alg befchetbene SSerfuche biefer
2trt mären auch Naturfefifpiele zu begrüben. Nur bap
nicht anfpruchgvolle Neafttonäre ung biefe gefchmüdte
SBirHichteit für bie höhere ^bunft, biefe ornamentierte
Sanbpartie für bag mähte Theater auggeben! —-
Da§ einmal neue äbunft unb auch neue gormen beg
Dheaterg aug ber SPaffe beg Slolteg, aug neuen, frommen
geften oufblülfen tonnen, bag bleibt eine Ntöglichfeit,
aber eine ganz, ganz ferne. Denn erft mü§te bag geeinte
SSolf, erft ber neue (Glaube geraffen, Imnbert fokale,
mirtfchaftliche, geiftige, religiöfe Probleme gelöft feitt,
bann tonnte alg le$te grucht eine neue volfgmäffige
Dheaterfunft reifen, von beren iBefen mir heute einfach
gar teinen begriff haben tonnen. Statt beffen brechen
heute tinblidfe unb ein menig betrügerifche Dilettanten
ganz unreife grüeffte vom 33aum, in bem fie ihr Dffeater-
gefchäft für eine voligfeftlicffe 31ngelegenheit auggeben —
meil ihre Dichtung unb ßnf^enierung an irgenb eine
lotalpatriotifche Drabition antnüpft, bie nicht einmal
im SSolfe mtrflich lebenbig, fonbern höchfteng ben feht
(Gebilbeten gegenmartig ift. 91uf biefe iBeife entftehen
bann bie entfefüteff flochen, phrafenhaften, falfcf) voltg-
tümltchen Stücfe, bie bag Nepertoire zahlreicher Natur-

bühnen gegenmärtig augmachen. Diefe Sofalfeftfpiele
ftehen auf bem geiftigen unb äfthetifchen Niveau ber
bunten 6r%ählungen, bie mir im „Sugenbfreunb" zu
ung zu nehmen pflegten, unb alg Unterhaltung für bie
unreife fjugenb febeg 311terg märe gegen biefe Spiele
vielleicht gar nicht viel zu fagen, menn fie nicht mit fo
unerhörter sprätenfion auftreten unb bie ohnehin geringe
Klarheit unferer äfthetifchen begriffe mit neuer SSers
mtrrung bebrohen mürben.
6g ift allerbingg richtig, ba§ man ftch fo zmifchen ben
grünen IBäumen unb in frifcher Suft Dinge big zu 6nbe
anhört, benen man aug einem gefclftoffenen Dheater^
raum längft entlaufen märe. Denn man tann beg Spielg
vergeffen unb bie frifche Suft genieffen. Die pofitive
Qualität babei ift aber erfichtlich teine eigentlich äfthetifclfe
— alg prattifche Anregung beg Naturtlfeaterg für unferen
mirtlichen tünftlerifchen Dlfeaterbetrieb bleibt vielmehr
nur eine Mahnung an Dheaterarchitetten unb Ingenieure:
mciter nachzuforfchen bem freilich brtngenben Problem
einer augreichenben — iBentilation!
Suliug 18ab.
ßmet Sonette von getir iSraun.
I.
Oft bent ich: iBeil ich eine Siebfte hob,
merben vielleicht bie 6!tern traurig fein.
Denn: fall ich "tcht treulog von ihnen ab,
pflanz ich mich nicht in neue 6rbe ein?
.Komm ich uach f)aug — mag bin ich uielm olö (Gaft?
Nicht meil mir 3tfcb unb Sclfrant fe$t frembe finb.
Die 61tern fprechen letfer, fchüchtern faft,
fehn mich fo an, alg mär ich nicht ihr -Kinb.
— D bu, mag bring ich bir zum Opfer bar!
Die Nührung um beg iUaterg meifjeg ^)aar,
Die Nührung um ber Niutter linbe Jpanb.
SBergifj nicht, ba§ ich longe .Knabe mar.
Sch höbe Elternliebe nur getannt.
Siebe mar mormeg Sicht. Nun ift fie ISranb!
II.
33erle$t cg bich, ba§ ich fo benten tann,
bann frag bich felbft, mie bir bag Scheiben tut.
Sft nicht bein 93nter auch ein alter Ntann
unb ift nicht beine SHutter mehr alg gut?
Sagft bu nicht auch 3^u tränt in ihrer ^)ut?
Sch fehr — $Bar eg nicht fchön, bei ihr zu meinen,
in ihren 91ugen beffer zu erfcheinen
ober fehr fcfüecht vor Hro$ unb Übermut?
— 9Nit unfern SBurzelti graben mir ung aug.
SBtr löfen ung vom angeftammten -f)aug
unb füllen ung ber menigen tränen fchamen?
iBir merben beibe nich mehr ^inber fein.
Nun gilt eg, feft fich an ben ^änben nehmen:
ßu zwetn ift auch allein. Sfi fet)f allein.
 
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