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Towarzystwo Naukowe <Lublin> [Hrsg.]
Roczniki Humanistyczne: Historia Sztuki = History of art = Histoire de l'art — 45.1997

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Broniewski, Witold: Die Kunst - als Anwältin der Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27403#0106
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WITOLD BRONIEWSKI

uns bekannten Kunstmanifestationen die Natur zum Gegenstand haben, vor
allem Tiere, seltener Pflanzen. Es tut wenłg zur Sache, daB die Maler und
Bildhauer der Steinzeit sich teils naturalistisch, teils stark vereinfachend
(„schematisch”), teils mit Hilfe schwer zu deutender Zeichen auf die Natur
einlassen. Die steinzeitlichen Schaffenden begnügen sich keineswegs mit der
schillernden Oberflache der Natur. Vielmehr deutet manches darauf hin, daB
ihnen die Wtirdigung der Lebensgeheimnisse, jedenfalls aber das Bedenken
der Ràtsel der Fruchtbarkeit ein Anliegen ist. Eben in diese Richtung scheinen
die vielen sei es unterschiedlich stark „entwirklichten”, sei es die mehr oder
weniger abstrakten Zeichen zu weisen.

Gleich die erste „Kunstlektion” macht deutlich, daB Kiinstler keine Buch-
halter der Natur sind. Ihr Schaffen erschopft sich nicht darin, die Natur bloB
wiederzugeben2.

Sogar die sogenannte naturalistische Kunst lâBt sich nicht in den Kàfig des
nur wiedergebenden Naturalismus sperren. Schon im voraus muB namlich der
Kiinstler eine Reihe von Vorentscheidungen treffen, die hier stichwortarting
angedeutet werden: Wahl des Gegenstandes (Themas), des Ausschnitts bzw.
des Umfeldes, ferner der Lichtverhâltnisse (etwa bei unterschiedlichen Tages-
oder Nachtzeiten)...

Ebenso bestimmt er die Farbpalette, z.B. kontrastreiche Farbenspiele oder
kontrastfreie Farbtonalitàten. Er entschlieBt sich für MaBtràbe und GroBen.
Mehr noch: er setzt Schwerpunkte, Akzente, wahlt Blickpunkte. Er malt sei
es mehr AuBeres, sei es mehr Inneres, sei es mehr Sichtbares, sei es mehr
Unsichtbares. Beispielsweise neigt die romantische Malerei dazu, Erhabenes
oder Majestâtisches aufzuzeigen. Auch bedeutet sie malerisches Nachsinnen
über Einsamkeit, Vergehen... Sie zeigt nicht nur Landschaften, sondern offen-
bart auch Stimmungen oder Befindlichkeiten, z.B. Melancholie oder Edelmut.

Auch die impressionistische Malerei, um ein anderes Beispiel zu nehmen,
feiert das „Wunder des Augenblicks”, preist das Leben. Wiederum: Wieder-
gabe würde hier viel zu kurz greifen. Ein weiteres Beispiel: malt etwa Turner
naturalistisch? Sind seine Lichtfluten oder seine sanften Naturgewalten -
Wasser, Luft, Raum - ein bloBes Registrieren?

Noch eindeutiger entfernt sich von einem reinen „Widerspiegeln” des in
der Natur Gesehenen jene Gestalt des Kunstschaffens, das auf das Yerwandeln

2 Zum Problem der vorgeschichtlichen Kunst und ihrer Deutung gibt es eine umfan-
greiche Literatur. Ais Beispiele seien genannt: J. Gąssowski, Prahistoria sztuki,
Warszawa [1994]; A. Leroi-Gourhan, Préhistoire de Part occidental, Paris
19712; H. de L u m 1 e y, Art et civilisations des chasseurs de la préhistoire, Paris 1984.
 
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