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Wachsguß von ihm herrührt, wäre es nicht möglich, daß dennoch die
Büste nur ein von Lucas gefertigter Abguß, daß aber das Original von
einem Dritten geschaffen ist ? Und ließe sich dieser Dritte nicht finden ?

III.

Kann der Abguß im Zeitalter des Leonardo
entstanden sein?

In seinem „Buch von der Malerei''1) sagt Leonardo: „Aber auch
der Bildhauer kann, wenn er in Ton oder Wachs arbeitet, wegnehmen
und zusetzen, und wenn es fertig, gießt er's mit Leichtigkeit in Bronze.
Dies ist die letzte Operation, welche die Skulptur hat, und auch die
dauerhafteste. Denn das nur in Marmor Ausgeführte ist der Zerstörung
ausgesetzt, was bei der Bronze nicht der Fall ist." AVenn Leonardo sogar
den Marmor als vergänglich bezeichnet, so kann man hieraus vielleicht
auf eine noch größere Abneigung gegen die Verwendung von Wachs
schließen. Indes schreibt Vasari2), der von 1512 bis 1574 gelebt hat,
Leonardo habe in seinen Jugendtagen ein paar lachende weibliche Köpfe
in Ton modelliert, und einige Kinderköpfe, „schön, als ob sie von
Meisterhand gebildet wären". Hiernach wäre es also immerhin noch
möglich, daß er auch einzelne Wachsarbeiten gemacht hat.

Aus der Zeit des Leonardo soll der bekannte Mädchenkopf im Musee
Wicar in Lille stammen. Die Hypothese freilich, er sei von Baffael
modelliert, und Orsino hätte vermutlich den Wachsguß gefertigt, wird von
Vielen bezweifelt. Ich werde an anderem Orte auf dieses Werk zurück-
kommen.

Orsino ist neben Maestro Panno di Barto und Maestro Franco wohl
der bedeutendste Wachsarbeiter des Quattrocento. Die Gilde der Wachs-
arbeiter scheint sich aber ausschließlich mit der Herstellung der soge-
nannten Votiyfiguren beschäftigt zu haben. Es sind das Statuen, auf
deren Wachskopf natürliche Haare befestigt und denen Kleider angezogen
sind. Sie sind meist lebensgroß und haben Aehnlichkeit mit unseren
Panoptikumfiguren. Sie dienten zu Schaustellungen oder wurden zum

1) Übersetzt von H. Ludwig. Band 1 S. 99.

2) Giorgio Vasari, Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Bau-
meister von Cimabue bis zum Jahre 1567, Deutseh von Schorn und Eoerster, Bd. 3.
Abteilung I. S. ö.
 
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