Schauss, Martin: Die Leonardische Flora: eine Fälschung aus dem 19. Jahrhundert ; Studien eines Künstlers (Leipzig, 1910)

Unter der Abbildung der Büste steht die Unterschrift: Farbige
Wachsbüste von Leonardo da Vinci".

Zum Schluß möchte ich die Frage aufwerfen: AVas ist es, was diese
Arbeit aus dem Staube und der Vergessenheit zu Glanz und Ruhm hat
erstehen lassen? Ist es die reine Schönheit der Plastik allein, oder ist
es der Gedanke, daß sie einst in glanzvoller Vergangenheit von geweihter
Hand gestaltet wurde und die Phantasie anregt, ein Idealbild zu schaffen-
dem sie vor ihrer Verstümmelung geglichen haben mag?

Stände statt des zarten Gebildes in Wachs dieselbe Arbeit in einem
andern Material vor uns — ob Marmor, Bronze oder Gips — würde
dann das Lächeln so geheimnisvoll auf uns wirken? Würden wir den
Kunstwert der Arbeit ebenso hoch einschätzen, auch wenn der Name
ihres Schöpfers nie genannt worden wäre?

Ich wage die Behauptung, daß ohne die schönen Farben auf dem
reinen jungfräulichen Wachs und ohne dies zarte Material die Arbeit den
größten Teil ihres Reizes einbüßen würde.

Armer Lucas, es ist dein Verdienst, daß die Flora
jetzt diesen Ehrenplatz einnimmt, aber nur Leonardos
Name konnte ihr dazu verhelfen.

Wir lebenden Künstler aber müssen uns bescheiden und nicht in
ehrlicher, treuer Arbeit ermatten, vielleicht bringt dann die Zukunft, was
die Gegenwart uns versagt.