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Das Schlingen- und Netzmotiv im Glauben und Brauch der Völker 9

verwickelt1. Wenn bei Aeschylus Agam. 1382 Klytaimestra dem
Gatten ein Netz überwirft, so kann uns dieses zeigen, wie die
uralte Vorstellung entstehen konnte, daß der Todesdämon dem
Menschen ein Netz umwirft". Der „Strick des Todes" findet
sieb aueb bei römischen Dichtern ». Die germanischen Todes-
göttinnen ziehen die Toten an einem Seil gebunden fort. Sie
sind mit „Strick und Netzegarne" versehen*. Die germa-
nischen Kriegsgöttinen (altnordisch Disir, ahd. Idisi) spannen
über die Feinde ihr Gewebe aus und bringen so die feind-
lichen Krieger zu Fall und fesseln dieselben5. Die germa-
nische Meeresgöttin Käu zog die in ihr Wasserbereich
kommenden Menschen mit ihrem Netze an sich und raubte
sie aus °. Über jedem Menschen hängt das Gewebe der Nomen,
und wem sie übelgesinnt sind, den bringen sie zu Fall7. Im
altdeutschen Volksglauben wird auch dem Teufel Band und
Strick zugeschrieben8.

In dem primitiven Glauben der Völker Afrikas. Amerikas
und Polynesiens herrschen die gleichen Anschauungen. Die
Ewe-Neger glauben an die Fesseln des Krankheits- und Todes-
dämons. Eine Beschwörungsformel lautet: „Ich befreie dich
von den Fesseln des Todes, ich befreie dich von den Fesseln
der Krankheit, ich befreie dich von allem Leid"9. Der
Indianer fleht die göttliche Himmelsspinne an, daß sie die
Seele des Feindes mit ihrem Gewebe umgarne und sie fort-
zerren möge ins Totenland. Dagegen betet ein verliebter
Indianer zu derselben Gottheit, sie möge die Liebe seines
Mädchens mit ihrem himmlischen Gewebe umgeben, so daß

1 Aesch. Prora. 1081: eis aTtsQavTov Sixrvv arrfi i/.i7z}.r/ß?r]oeod"£,
- Vgl. 0. Gruppe, Gr. Myth. II 1283 Anm. 4.

3 Vgl. Horaz, Carm. III 24, 8: non mortis laqueis expedies eaput.
Dazu zitieren Kießling-Heinze in ihrer Ausgabe Ilias II 111 ara lysärjas
ßaQtijj. 1 J. Grimm, Deutsche Myth. II 705; III 254.

5 K. M. Meyer, Altgerm. Keligionsgesch. 1910, 158, 160.

0 3. Grimm, Deutsche Myth. I 259.
. 7 W. Golther, Handbuch der germ. Myth. 1895, 105.

8 Grimm aaO. II 845 f.

9 Intern. Arch. f. Ethnogr. XIV (1901) 2. Nach dem primitiven
Glauben afrikanischer Völker gelangen die Toten an Stricken in die Unter-
welt (L. Frobenius, Masken und Geheimbünde Afrikas 1898, 198).
 
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