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Das eigentliche klassische Land der Schatzkammer des Mittelalters
ist nicht das an antiken Traditionen hangende und zehrende Italien,
sondern das Land, in dem die feudalhöfische Kultur erstarkte und
für ganz Europa vorbildlich wurde: Frankreich. Alles deutet hier
auf die fabelhaft reichen Schätze der königlichen Familie der Valois
und ihrer Nebenlinien, der Herzoge von Berry, namentlich aber des
burgundischen Hauses im XIV. und XV. Jahrhundert. Zum Teil gehen
diese Anhäufungen von Kostbarkeiten jeglicher, nicht nur materieller
Art, wie sie die trefflich redigierten Inventare noch vor Augen stellen,
schon in den Beginn modernen Sammelwesens, in die «Künste und
Wunderkammer» hinüber. Allenthalben bleibt jedoch die private und
persönliche Natur der Sache bestehen, wie noch in einem der be-
rühmtesten Beispiele, den Sammlungen Erzherzog Ferdinands von Tirol
auf Schloß Ambras, besonders in deren persönlichstem Teil, der von
ihm selbst noch durch Druck und Illustration publik gemachten
Waffenkammer. Wie die Kirchenschätze enthalten sie ferner das, was
man mit einem gangbaren Ausdruck als «artificialia» und «naturalia»
bezeichnete, einträchtiglich nebeneinander. Scheidend und trennend setzt
hier erst die volle Renaissance mit ihrer lehrhaften Tendenz ein; die
Kunstkammern des Cinquecento, die großen Bildergalerien des Barocks
zweigen sich als selbständige Körper ab, und erst das XVIII. Jahr?
hundert, die Zeit der Aufklärung, sieht die Entstehung des wissen?
schaftlichen Fachwerks, der Münzkabinette, der Antiquarien, der physis
kaiischen und astronomischen Salons und Kabinette, eine Entwicklung,
die das bürgerliche XIX. Jahrhundert fortsetzt und vertieft, zuweilen
mit überstarker Betonung des theoretischen Standpunktes und mit
Vernachlässigung des von der älteren Zeit oft selbstherrlich genug
herausgestellten künstlerischen Gesamteindrucks.

Diese allgemeinen Bemerkungen schienen nötig, um den Standpunkt
zu gewinnen, von dem sich die Geschichte des ehrwürdigen Gebildes
der Wiener Schatzkammer überschauen und verstehen läßt.

Der Besitz des Hauses Habsburg an Kleinodien und Kostbarkeiten
aller Art läßt sich mit leidlicher Deutlichkeit bis auf den großen Ahn?
herrn Maximilian I. zurückverfolgen. Freilich hat er gar viele Wand?

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