2.3 Die Stadt aus nicht-monumentaler Perspektive lesen
29
Es gibt demnach eine gedankliche Möglichkeit, die Stadt an sich zu entwi-
ckeln und die realen Städte zu dieser mentalen Planstadt in Relation set-
zen. Dieser Wunsch nach Idealität und Abstraktion trifft sich mit dem
Streben nach solchen architektonischen Utopien, die nicht selten auch
Maßstäbe für die konkrete Fortentwicklung des Städtebaus setzen sollten.
Das antike Rom ist zwar für die Römer eine ideale Stadt, aber keine Ideal-
stadt, deren Stadtbild und Stadtplan sich einem großen Plan verdanken
würde. Sie entspricht in der Realität viel mehr dem Gegenbild, mit dem
Calvinos Marco Polo den Vorstellungen des Kublai antwortet:
„Auch ich habe mir das Modell einer Stadt ausgedacht, von dem ich
alles ableite", antwortete Marco. „Es ist eine Stadt, die nur aus Ausnah-
men, Ausschließungen, Gegensätzlichkeiten, Widersinnigkeiten be-
steht. Wenn eine solche Stadt das Unwahrscheinlichste ist, was es gibt,
so erhöhen sich bei zahlenmäßiger Verringerung der abnormen Ele-
mente die Wahrscheinlichkeiten, dass die Stadt wirklich besteht. Ich
brauche also bei meinem Modell nur Ausnahmen zu subtrahieren und
habe dann, gleichgültig nach welcher Reihenfolge ich vorgehe, eine von
den Städten vor mir, die, wenn auch stets als Ausnahmeerscheinungen,
existieren. Doch kann ich mein Unterfangen nicht über eine bestimmte
Grenze vorantreiben: Ich würde Städte erhalten, die zu wahrscheinlich
sind, um wahr zu sein."55
2.3 Die Stadt aus nicht-monumentaler
Perspektive lesen
All diese Aspekte bilden den Hintergrund für unsere Untersuchung. Es
geht nicht um eine Geschichte des Städtebaus oder einzelner Gebäude,
sondern um eine Geschichte der Stadtwahrnehmung und Stadtaneignung
nicht aus der Sicht der Planer, vielmehr aus der Sicht der in der Stadt Le-
benden und von den Planungen Betroffenen. Diese Personen eignen sich
cittä ehe esistono s'allontanano in vario grado dalla norma, mi basta prevedere le eccezioni
alla norma e calcolarne le combinazioni piü probabili."
55 „Anch'io ho pensato un modello di cittä da cui deduco tutte le altre, - rispose Marco. E
una cittä fatta solo d'eccezioni, preclusioni, contraddizioni, incongruenze, controsensi. Se
una cittä cosi e quanto c'e di piü improbabile, diminuendo il numero degli elementi ab-
normi si accrescono le probabilitä ehe la cittä ci sia veramente. Dunque basta ehe io sot-
tragga eccezioni al mio modello, e in qualsiasi ordine proceda arriverd a trovarmi davanti
una delle cittä che, pur sempre in via d'eccezione, esistono. Ma non posso spingere la mia
operazione oltre un certo limite: otterrei delle cittä troppo verosimili per essere vere."
29
Es gibt demnach eine gedankliche Möglichkeit, die Stadt an sich zu entwi-
ckeln und die realen Städte zu dieser mentalen Planstadt in Relation set-
zen. Dieser Wunsch nach Idealität und Abstraktion trifft sich mit dem
Streben nach solchen architektonischen Utopien, die nicht selten auch
Maßstäbe für die konkrete Fortentwicklung des Städtebaus setzen sollten.
Das antike Rom ist zwar für die Römer eine ideale Stadt, aber keine Ideal-
stadt, deren Stadtbild und Stadtplan sich einem großen Plan verdanken
würde. Sie entspricht in der Realität viel mehr dem Gegenbild, mit dem
Calvinos Marco Polo den Vorstellungen des Kublai antwortet:
„Auch ich habe mir das Modell einer Stadt ausgedacht, von dem ich
alles ableite", antwortete Marco. „Es ist eine Stadt, die nur aus Ausnah-
men, Ausschließungen, Gegensätzlichkeiten, Widersinnigkeiten be-
steht. Wenn eine solche Stadt das Unwahrscheinlichste ist, was es gibt,
so erhöhen sich bei zahlenmäßiger Verringerung der abnormen Ele-
mente die Wahrscheinlichkeiten, dass die Stadt wirklich besteht. Ich
brauche also bei meinem Modell nur Ausnahmen zu subtrahieren und
habe dann, gleichgültig nach welcher Reihenfolge ich vorgehe, eine von
den Städten vor mir, die, wenn auch stets als Ausnahmeerscheinungen,
existieren. Doch kann ich mein Unterfangen nicht über eine bestimmte
Grenze vorantreiben: Ich würde Städte erhalten, die zu wahrscheinlich
sind, um wahr zu sein."55
2.3 Die Stadt aus nicht-monumentaler
Perspektive lesen
All diese Aspekte bilden den Hintergrund für unsere Untersuchung. Es
geht nicht um eine Geschichte des Städtebaus oder einzelner Gebäude,
sondern um eine Geschichte der Stadtwahrnehmung und Stadtaneignung
nicht aus der Sicht der Planer, vielmehr aus der Sicht der in der Stadt Le-
benden und von den Planungen Betroffenen. Diese Personen eignen sich
cittä ehe esistono s'allontanano in vario grado dalla norma, mi basta prevedere le eccezioni
alla norma e calcolarne le combinazioni piü probabili."
55 „Anch'io ho pensato un modello di cittä da cui deduco tutte le altre, - rispose Marco. E
una cittä fatta solo d'eccezioni, preclusioni, contraddizioni, incongruenze, controsensi. Se
una cittä cosi e quanto c'e di piü improbabile, diminuendo il numero degli elementi ab-
normi si accrescono le probabilitä ehe la cittä ci sia veramente. Dunque basta ehe io sot-
tragga eccezioni al mio modello, e in qualsiasi ordine proceda arriverd a trovarmi davanti
una delle cittä che, pur sempre in via d'eccezione, esistono. Ma non posso spingere la mia
operazione oltre un certo limite: otterrei delle cittä troppo verosimili per essere vere."