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HERWARTH WALDEN

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lieh sehr dürftige Zeitschrift DER STURM, in der Bilder
waren in der Art, wie ich sie malte, und Gedichte, wie
ich sie schrieb. Da wußte ich, daß ich nicht »verrückt«
war, wie manche meinten, sondern daß es Menschen gab,
die nach dem Gleichen strebten und Gleiches erkannten
wie ich. Die Zeitschrift erschien in Berlin, wo auch die
STURM-Ausstellung war. Die Zeitschrift erreichte mich
in den Kriegswochen, als ich mich entschlossen hatte,
»freiwilliger Sanitätshundeführer« in Leipzig zu wer-
den. Ich war so beeindruckt von der Zeitschrift, daß ich
sogleich den Text meines Dramas »Die Nacht« an den
Herausgeber Herwarth Waiden sandte. Ich fuhr zur Aus-
bildung nach Leipzig über Berlin. Zwischen dem Lehrter
und dem Anhalter Bahnhof hatte ich knapp zwei Stun-
den Zeit zum Anschlußzug. Nicht weit vom Potsdamer
Platz, Potsdamer Straße 154 a, fand ich den STURM. Es
waren drei enge Ausstellungsräume im Parterre des
Hinterhauses. Eine ernste junge lüdin öffnete mir und
führte mich in die Ausstellung. Hier sah ich zum ersten
Mal in meinem Leben die Bilder, in denen sich meine
künstlerischen Hoffnungen erfüllten. Franz Marc, 1a-
koba van Heemskerck und Heinrich Campendonk waren
mir sogleich am nächsten. Ich nannte meinen Namen
und bat, mich bei Herwarth Waiden anzumelden. Das
junge Mädchen zögerte ein wenig und betrachtete mich
mit einem gewissen fanatischen Ernst — es war eine Prü-
fung. Wie ich in der nächsten Stunde erfuhr, war es
Sophie van Leer, deren sanft schwebende Verse ich im
 
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