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HERWARTH WALDEN

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ziger Jahre — keine strahlende Mitte mehr, sondern in
dem gleichen Zerfall wie DER STURM.
Herwarth Waiden wußte um das Ende seines Werkes
für die Kunstwende. Er erhoffte noch, die expressioni-
stische Kunst, die als eine geistige Revolution aufgebro-
chen war, in die politische Revolution, und zwar die des
Kommunismus, einordnen zu können.
Als ich zum Abschied nach Berlin kam, wußte ich, daß
Herwarth Waiden die notwendigen Papiere und den Paß
nach Rußland hatte. Er hatte einen großen literarischen
Auftrag der Sowjetregierung angenommen.
Wir gingen schweigend durch seine letzte Ausstellung.
Dann tranken wir in einem kleinen Cafe eine Tasse
Kaffee und rauchten ein paar Zigaretten.
Es gab nichts mehr zu sagen. Wir sahen uns nur noch an.
In Freundschaft. Sie war das einzige, was blieb. Er wußte,
daß ich seinen Weg in den Kommunismus achtete, wenn
auch nicht verstand. Ich wußte, daß er meinen Weg in
die christliche Kirche achtete, wenn auch nicht verstand.
Wir begriffen unsere Wege gegenseitig nicht mehr.
Als wir uns die Hand zum Abschied gaben, war kein
Hauch einer Ironie auf Herwarth Waldens Gesicht. Und
ich fühlte in mir nur Ehrfurcht vor dem Ende.
Im Jahre 1941 wurde Herwarth Waiden in Rußland aus
uns unbekannten Gründen nach Sibirien verbannt.
 
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