Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GERTRUD GRUNOW

187

geistigen Zusammenhänge von Farbe, Form und Ton
aufgegangen, wie sie den Aufbau der lebendigen Gestalt
hervorrufen. Und sie hatte die Harmonisierungsübungen
erkannt und ausgearbeitet, durch die diese Zusammen-
hänge in jedem Menschen erweckt oder wieder herge-
stellt werden können. So brachte sie die Menschen inner-
lich und äußerlich »ins Gleichgewicht«. Nach ihren Wor-
ten beruht »jedes Mit-, Neben-, Über-, Unter-, Nachein-
ander im lebendigen Wirken der Kräfte auf einer spe-
ziellen, gesetzmäßigen inneren Ordnung und erzeugt
eine besondere Empfindung und äußere Erscheinung«.
So war Gertrud Grunow nicht nur ein tatsächlich »hei-
lender« Mensch, sondern führte in den Übungen den
Übenden in die klare Erkenntnis der ihm entsprechen-
den schöpferischen Gestalt. Ihr Übungsraum war Wand
an Wand mit meinem Atelier, und bei der Hellhörig-
keit der Wände war ich alltäglich Zeuge des Segens, den
Gertrud Grunows Persönlichkeit und Arbeit dem Bau-
haus gebracht hat. Ich weiß: weder die Vorlehre noch
die Hauptlehre wäre ohne Gertrud Grunow mit Erfolg
durchführbar gewesen, und das Bauhaus hätte ohne sie
sein schöpferisches Werk nicht vollbracht. Wenn ich an
Gertrud Grunow denke, so erscheint ihr Wesen vor mir
mit dem edlen Ausdruck, den sie im Gespräch und im
Lehren annahm, der sich zur Erhabenheit steigerte,
wenn sie schweigend sann. Zugleich aber sehe ich die
greisenhafte gebrechliche Frau vor mir, um die wir in
Sorge waren, und ich sehe stets einen Lehrling oder Ge-
 
Annotationen