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GERTRUD GRUNOW

209

furcht die Liebe des Geistes erwacht. Ja, Frau Marc, die
Ironie ist die Maske des Bauhausmenschen, die Ehrfurcht
ist sein Gesicht. Wir spielen zwischen Ironie und Ehr-
furcht. Die Ironie dem Geschöpf und die Ehrfurcht dem
Schöpfer. Vielleicht aber doch: die ironische Ehrfurcht
und die ehrfürchtige Ironie in unio mystica.«
»So ist also die unio mystica das Ziel?« fragte ich.
»Gewiß«, sagte Gertrud Grunow. »Aber auch in ihr
bleiben Schöpfer und Geschöpf, Gott und Mensch, unter-
schieden.«
»Ist denn das Bauhaus ein theologisches Seminar?« fragte
Maria Marc bestürzt.
Etwas frech sagte ich: »Franz Marc hätte das Bauhaus
vielleicht zu einer Vorstufe für ein christliches Leben
machen wollen.«
»Nein!« wehrte Maria Marc ab. »Kunst muß Kunst blei-
ben.«
»Nein!« sagte Gertrud Grunow. »Wenn Kunst Kunst
bleiben muß, so ist das das Ende der Kunst. Kunst erhält
ihren Rang und Wert erst durch den Dienst. Wem die
Kunst dient — darum handelt es sich$ auch im Bauhaus.
Entweder dient die Kunst einer geistigen Wirklichkeit,
das heißt: einer metaphysischen Ordnung und deren
Verkündigung. Oder die Kunst wird ein Reklamemittel,
günstigenfalls für pharmazeutische Artikel. Anders und
im äußersten Gegensatz ausgedrückt: Kunst dient der
religiösen Liturgie oder dem Kabarett. Beide Möglich-
keiten hat das Bauhaus.«
 
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