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210

UTOPIA

»Das ist es, liebes Fräulein Grunow«, sagte ich sehr
ernst.
»Nur nicht so ernst, lieber Schreyer!« rief Gertrud Gru-
now. Plötzlich lachte sie. »Denken Sie einmal in Weimar
nicht an Goethe, sondern an seinen Kollegen Schiller:
,Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst'!«
Ich lachte auch, etwas wider Willen, und mußte sagen:
»Umgekehrt wird ein Schuh draus: ,Heiter ist das Leben,
ernst ist die Kunst'. So soll es werden!«
Maria Marc wurde immer bestürzter. Sie sagte ziemlich
verzweifelt:
»Das ist ja alles schrecklich. Muß denn alles auf den Kopf
gestellt werden!«
»Nein!« sagte ich. »Das wäre eine Variete-Nummer.
Aber es muß alles von vorn angefangen werden, da alles
zu Ende gegangen ist.«
»Ach«, sagte Maria Marc. »Wir wollen doch lieber ins
Haus der Lrau von Stein gehen — zu den Mäusen.«
»Ja«, sagte ich. »Wir wollen den Mäusen über den Win-
ter helfen.«
»Ja, lieber Schreyer«, sagte Gertrud Grunow. »Klein
werden wie ein Mäuschen — darauf kommt es an!«
Sie verschloß sich plötzlich. Und es schien, als ob ihr
Geist in weiter Ferne wäre, während wir schweigsam
durch den Park gingen.
 
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