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IM SPIEL DER FRAUEN

Berlins. Sie war sehr musikalisch und immer freundlich.
Sie spielte gern mit unserem kleinen Sohn, wenn er aus
Dresden bei uns zu Besuch war. »Marlene!« rief er dann
gebieterisch. Sie hieß Marlene Dietrich. Niemand von
uns oder sonst in Weimar konnte ahnen, daß sie in weni-
gen Jahren eine Weltberühmtheit sein würde und mit
ihrem Song im »Blauen Engel« »Ich bin von Kopf bis
Fuß auf Liebe eingestellt« Hunderttausende verzaubern
sollte.
Nachmittags kam dann Frau Mahler-Gropius. Wir sahen
sie zum erstenmal. Sie bestrickte sogleich meine Frau
und mich mit großer natürlicher Liebenswürdigkeit. Wir
spürten zugleich — durch die Liebenswürdigkeit nur
leicht verdeckt — die geistige Größe dieser Frau, die sich
sozusagen klein machte, damit ihr Maß uns nicht über-
wältigte. Aber es überwältigte uns doch. Mir waren schon
manche ungewöhnlichen Frauen begegnet. Jede dieser
großen Persönlichkeiten, allen voran die Herrin und Ka-
meradin des STURM, Nell Waiden, lebte in einer geschlos-
senen seelischen Welt. Diese seltsame Frau Alma Mah-
ler-Gropius war den verschiedensten Welten aufgeschlos-
sen. Es schien, als ob alle Lebensströme, engelhafte, dä-
monische und unerhört menschliche, durch sie hindurch-
strömten und sie auf all diesen Kräften eine Sinfonie
spielte, sich selbst überraschend. Nichts schien mir un-
möglich für diese Frau. Ich wußte, wie Kokoschka sie
gemalt hat. Aber dieses Bild konnte ich nicht in ihr er-
kennen, als sie uns gegenübersaß neben der brennenden
 
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