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ALMA MAHLER-GROPIUS

215

Kerze, deren Licht über das Antlitz spielte, während der
Nachmittag draußen nebelverhängt war. Sie war bei
uns auch keine »Windsbraut« Kokoschkas, eher selbst
ein sanft hin und her wogendes Licht, das von Zeit zu
Zeit auf leuchtete aus dem gesellschaftlichen Ton ihrer
Worte, die scheinbar nichts sagten, in deren Klang
aber Geheimnisse zitterten. Ich sah die edlen sen-
siblen Hände, ringgeschmückt. Sie sprach vom Bau-
haus, von Gropius, von Itten. Es war ein Tasten in den
Worten. Und plötzlich schien Nacht in ihren Augen zu
sein. Sie schwieg, mich rätselhaft anblickend. Dann
wurde ihre Stimme dunkler und leiser — laut sprach sie
nie; nun aber sprach sie wie hinter Schleiern zu mir:
»Ich habe eine Bitte an Sie.« Ich fühlte mich fest und
sanft gebannt von diesem Blick. »1a, gnädige Frau?«
»Ich bitte Sie, lassen Sie Walter Gropius nicht im Stich.«
Wir schwiegen, Frau Gropius, meine Frau und ich. Ihr
Blick gab mich nicht frei. Ohne daß ich es wollte, dachte
ich: Ist sie um dieser Frage willen zu uns gekommen? Ist
sie gekommen, meine Antwort zu hören? Langsam gab
ich ihr die Antwort in ihren offenen Blick: »Ich werde
Walter Gropius nicht im Stich lassen, auch wenn wir
nicht mehr Zusammenarbeiten, auch wenn das Bauhaus
nicht mehr sein wird. Im Geiste werde ich stets sein Hel-
fer sein, auch wenn er es nicht wissen wird.« Sie beugte
sich vor und gab mir ihre Hand, die heiß und trocken
war. »Ich weiß es«, sagte sie noch leiser. Dann blickte sie
auf zu dem Bild von Paul Klee »Blumenmythos«, das vor
 
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