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Sias muf} dem Reich die flotte fem?

Von Kapitän jur See j. D. von Küblwetter

enn wir erkennen wollen, was dem
Deutfcben Reich feine flotte Tein wird
und fein muß, müffen wir junäcbft Mar
feben, was Tie ihm war und jetjt in der
Stunde der Dot ift.

eigentlich follte die Vergangenheit uns
das längTt gelehrt haben. Huch in der
6eTcbicbte muß aber wohl jeder feine 6r-
fabrungen felbft machen und das Cebrgeld
?ablen. Ginem Deutfcben Reich war es
aber bisher nicht befchieden, am eigenen
Ceibe %u erleben, was ihm Cfleer und flotte
bedeuten.

Hier offenen Huges die 6efcbicbte
durchblättert, bann an den Hnalogien nicht
vorübergeben, aber das war wohl nicht
genug. Die (5ntwicklung im Dcutfcbland
der Vergangenheit bat mit der des Reiches
von heute in vielem febr große Hebnlicb-
heit.

Zur Zeit der Banfa hatte der deutfebe
Kaufmann eine Stellung, um deren Gr-
neuerung wir mit allen Kräften vor diefem
Kriege bemüht waren. Diefer mächtige
Bund der Kaufleutc deutfeber Städte war
in feinen Rauptjielen mit dem polt-
tifeben Staat, dem Deutfcben Reich, gar
nicht oder mindeftens nun febr lofe ver-
knüpft, weil feine Ziele wirtfcbaftlicbc wa-
ren, feine Politth durch wirtfcbaftlicbc Jn-
tereffen beftimmt war, denen die Politik
des damaligen Reichs gau? fremd gegen-
überftand. So unternehmend der 6eift
und fo reich die Blüte diefes das gamc
nördliche ßuropa umfpannenden Städte-
bundes war, er bonnte nur blühen, ge-
deihen und befteben, fo lange nicht hinter
feinen Wettbewerbern ftarhe Staaten ftan-
den, denen die Waffengewalt der FSanfa
nicht gewaebfen war und auf die Dauer
nicht gewaebfen fein bonnte. Und dieU
Zeit bam. wenn auch die Blüte der P>anf?>.
drei Jahrhunderte überdauerte. Die
Ranfa, die fieb in der Zeit ihrer Blüte
nie groß um Kaifer und Reich aebümmert
hatte, fuchte in der Hot dort Rilfc. fand
Tie aber nur auf dem Paeter. Und an
Reicbseinfprücbe bebrten fieb die Könictin
eiifabetb von England und ihre Brüder
auf den thronen von Schweden und
Dänemark ebenfowenig wie das heutige
Gngland. Und mit der €at ?u helfen, war
das Reich, auch wenn es gewollt hätte, aar
nicht imftandc, denn nie war es politifcb
ohnmächtiger als in der Zeit vor dem
dreißigjährigen Kriege. So gingen Ranfa,
deutfeber Rande! und deutfebe Seegcltung

jugrundc, weil ihnen das Rüchgrat der
Seemacht eines ftarben Staates fehlte.
P)ier haben wir auch die f)aupturfacbe ?u
Tuchen für die in damaliger Zeit febon auf-
fällige 6rfcbeinung, daß diefer meerbe-
berrfebende Städtebund eine Kolonifation
im weiteren Sinne, die über die Ufer der
näcbftbenachbarten Hlcere binausgriff,
nicht unternehmen honnte, trotzdem da-
mals aus den neuentdeebten Cändern die
feefabrenden Völber, man bann nur fagen
mit Gier, alle Schätze ?u erraffen fuebten.
Gewiß waren unfere Ranfaftädte, nament-
lich die an der See, nicht vernichtet und
mit einem Schlage gan? von der See ver-
trieben. F)amburct, Bremen, Eübeck haben
durch bluge jähe, fieb anpaffende I)andels-
politib noch Schiffahrt getrieben und fieb
behauptet, aber ihre Blüte war gebrochen,
die führende Stellung war dabin. Sie
mußten vorlieb nehmen mit den Brofamen,
die von anderer Cifcbe fielen, und wenn
es ihnen jeitweife vor dem neuen Reidie
gelang, eine gewiffe Bedeutung ju errin-
gen, fo gefebab das nicht trot? ihrer
Schwäche, fondern wegen ihrer Schwäche,
die ein oder jwei Städte als unge-
fährlich erfcheinen ließ. Wenn es dar-
auf anbam, bonnte man mit ihnen,
hinter denen ja immer noch bein feemädv
ttoer Staat ftand, nach Gutdünben ver-
fahren.

Gewiß waren die Verbältmffe damals
gcwaltia verfchieden von denen beute,
aber alle Verfchiedenheit lieot nur in der
einen Richtung, das was damals einen
Städtebund ?u Vall brachte, eine Organi-
fatton von Kaufleuten der Cebensfäbiqheit
beraubte, würde beute einen mäcbtiqen,
blühenden Staat, eine Großmacht $um
Code verurteilen. Gewerbe und Bändel
haben, oemeffen an der Candwtrt-
febaft, im ganzen Mittelalter ein be-
febetdenes Dafein ctefübrt. 6s gab bäum
andere als landwirtfebafttiebe Grjeuqniffe.
Solche von außerhalb waren bäum be-
kannt, Tcbon die fehlenden Verbindungen
verhinderten das. Was einzelne Kaufleutc
an fremdländifcben 6r?eugniffen und
Koftbarbeiten feilboten, bann nicht als
Bändel im beutigen Sinne bejeiebnet
werden. Das flache Cand blieb die Quelle
aller wirtfcbaftlichen Kraft, auch nachdem
Städte gegründet waren, die, wie wir bei
der Ranfa gefeben haben, die ffiittelpunbte
haufmännifeben Eebens waren. Die gro-
ßen Städte des Mittelalters würden wir

Ol
 
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