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Ton Kafper und den KafperdarfteUern

Ton Jobs. 6. Rabe-I^amburo

it Sicherheit $u ermitteln, wie alt Kafper
fein mag, ift unmöglich. Berichte
aus dem Hltertum über öffentliche Tor-
ftellungen mit I^ilfe von Puppen febeinen
fieb ftets auf folebe ?u belieben, die durch
Drähte oder fäden gelenkt wurden, wäh-
rend das Torbommen von Handpuppen,
alfo foleben, deren Kopf und Hrme der
Darfteller durch bineingeftechte finger
bewegte, aus europäifeben Quellen erft
Ziemlich fpät beftimmt gemeldet wird. 3m
deutfehen Mittelalter ?uerft finden fieb
verfebiedentlicb Hndeutungen eines Spiels
mit „Docken", die ein Gaukler aus feinem
Mantel oder einer Tafche zog, um fte dem
ftaunenden Tolbe vorzuführen, gelegentlich
auch wohl an Gdelfitjen oder bei Hofe
Huffübrungen damit ?u veranftalten.
Gbenfo find etwa gleichzeitig aus den
Diederlanden einige Berichte vorbanden,
wonach Puppenfpielern für ihr Huftreten
bei boebftebenden Perfonen etneTergütung
bewilligt wurde oder ihnen öffentliche
Scbauftellung ?u beftimmten Zeiten unter-
fagt war. Ueber figuren und Cexte ver-
lautet nichts. 6s ift uns aber in den
Rand?eicbnungen einer Randfcbrift, die um
1340 in der Picardte oder in Flandern ent-
ftand, die getreue Miniatur einer Kafper -
bude bewahrt, worin man den volkstüm-
lichen Helden als fcblanbe figur, bewaffnet
mit Pritfcbe, erblicht und ihm gegenüber
feine frau: Danach läßt fieb vermuten, daß
febon damals ähnliche Stücke wie heute
aufgeführt fein werden.

Die erften etwas ausführlichen Dacb-
riebten ftammen aus der Mitte des fteb-
}ebnten Jahrhunderts und melden, ein
italienifcber Zabnreißer und Quackfalber,
der in Paris auf offenem Markte fein Be-
werbe ausübte, habe ftatt des lebenden
Hanswurft, der bis dabin Zufcbauer her-
angelockt hatte, eine kleine Puppenbübne
aufgefcblagen, die glänzende «Srfolge brach-
te. Itlenn Berichte darüber bis auf unfere
"Cage gekommen find, liegt der Grund
wohl nur in den befonders guten Ceiftun-
gen, denn etwas neues bat der betreffende
Unternehmer offenbar nicht eingeführt.
Schon febr früh werden fieb die kleinen
Bühnen eingebürgert haben, die fieb um
fo vorteilhafter erwiefen, als das Spiel
weit eindrucksvoller wurde, weil fein
Ceiter unfiebtbar blieb. Hls wetterer Tor-

?ug kam hinzu, daß für feine Puppen nun-
mehr ganz roh geTcbnitjte und nur ober-
flächlich mit färbe bekleckfte Köpfe ge-
nügten, denen im I)alblicbt der Bühne jede
Bewegung eigenes Ceben zu verleiben
febien und die auch der derbften Behand-
lung gewaebfen waren. Das ift bis beute
fo geblieben. Zierlich gefcbnitjte Köpfe
und glänzende Hnjüge find für dies kleine
Theater ganz überflüffiges Beiwerk, eben-
fo wie irgendwelche Husftattung des
Schauplatzes felbft. C&obl haben in Frank-
reich vornehme Ciebbaber des Kafperfpiels
gelegentlich für eigenen Gebrauch Cha-
rakterfiguren hergcftellt und pbantafievoll
bekleidet, aber fie find ftets davon zurück-
gekommen, um dann wieder für die rohen
puppen mit kaum angedeuteten Geficbt-
cben zu febwärmen, in denen febwarz
lackierte Dägel ftatt der Hugen fo lebhaft
im Cicbt funkelten, während die halb ge-
fcbloffenen Händeben jede Gemütsbe-
wegung ausdrücken konnten. X^atfäcblich
ift ja auch bei der Cebbaftigkeit des Spiels
und weil die Puppen den Bemeffungen der
Bühne angepaßt find, der 6indruck auf
Kinder und barmlofe ßrwaebfene ein fol-
cber, daß fie oft in den ICTabn verfetzt wer-
den, kleine Cebewefen vor fieb z« feben.
Daß durchweg nur zwei davon gleichzeitig
auftreten, befremdet bei der rafeben folge
der Greigniffe nicht im mindeften.

Während aus Deutfcbland keinerlei
Hufzeicbnungen über die Perfonen des
Spiels zu entdecken find, liegen folebe aus
frankreieb ebenfalls ^uerH aus dem
17. Jahrhundert vor. Der eigentliche J)e\d
war immer und überall der luftige, dumm-
pfiffige Raufbold aus dem Tolke, der jeden
bänfelte, reichlich Prügel austeilte und ge-
legentlich auch etwas %u derbe julchluQ.
Gleich dem lebenden Spaßmacher erhielt er
im Munde des Tolkes urfprünglicb den
Damen von deffen Cieblingsfpeife, wie
„Jean Potage", „Pickelbering", „Jack
Pudding", „Hanswurft". Huf die Dauer
blieb es aber nicht hierbei. Jn Deutfcb-
land wurde, öfterreiebifeber Quelle des
17. Jahrhunderts entftammend, „Kafperle"
Ziemlich allgemein, während Frankreich,
ausgebend von einem Cyoner "Caufpaten
jetzt ausfcblicßlicb auf „Guignol" febwört
und Sngland auf „Puncb", Terdrebung
und Hbkürzung des italienifcben „Pule?
 
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