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Begründung und Entwickelung.

Das ursprüngliche gärtnerische und landschaftliche Bild des Palmengartens ist das
Werk des genialen Mitglieds des Verwaltungsrats, Herrn Heinrich Siesmayer.

Im April 1869 fand noch in Biebrich die erste grosse Blumen-und Pflanzenausstellung
unter der Leitung von Ferd. Heiss für Rechnung der neuen Besitzer statt und brachte einen
Reingewinn von 1667,09 Gld.

Von allen Seiten eilten Kenner und Blumenfreunde herbei, um die tropischen Pflanzen
und anderen Seltenheiten vor der Ueberführung der Gewächshäuser und Wintergärten noch
einmal an dieser Stätte zu sehen. Es wurde damals hierüber aus Biebrich geschrieben:

„Die Frankfurter Palmengarten-Gesellschaft hat aber auch nichts unterlassen,
damit die diesjährige Ausstellung in bezug auf die Reichhaltigkeit der Arten und die
Schönheit und Fülle der Exemplare jenen der vergangenen Jahre würdig zur Seite ge-
stellt werden kann.“

Im August 1868 wurde der Kunstgärtner Ferd. Heiss als Garteninspektor und am
1. September 1869 der jetzige Betriebsdirektor Paul Böhm als Sekretär angestellt.

Vom 3o. September 1869 an wurde der ganze Pflanzenbestand von Biebrich allmälich
nach Frankfurt überführt. Die Gewächshäuser im Palmengarten waren inzwischen fertig-
gestellt. Die kleineren Pflanzen konnten sogleich darin untergebracht werden, während die
grösseren in den kurfürstlichen Orangeriehäusern am Untermainkai bis zur Vollendung des
Palmenhauses Platz fanden. Der Transport wurde teils zu Schiff, teils zu Lande bewerk-
stelligt und erforderte gewissenhafte Vorbereitung und ausserordentliche Vorkehrungen.

Die Energie der beteiligten Männer wusste die Bauten so zu fördern, dass bereits am
9. April 1870 eine Blumenausstellung in den jetzigen Blütengalerien stattfinden konnte.

Ueber diese erste Frankfurter Ausstellung schrieb Herr Theodor Winckler in der
„Didaskalia“:

„Da sind wir und treten durch das Portal in die grossartige Halle, deren gläserne
Bedachung uns schon von ferne entgegenglitzerte. Ein gigantischer Glaspalast,
strotzend von tausend bunten Kindern Floras, empfängt uns, und ein berauschender
Blumenduft strömt uns zum Willkommen entgegen. Vom ersten Eindruck über-
wältigt, stehen wir auf der Terrasse mit ihrem grotesken Felshintergrunde einige
Augenblicke still. Wo die Erhabenheit des Schönen in solcher Fülle sich zusammen-
drängt, da ergreift eine gewisse feierliche Andacht das Gemüt des Beschauers, und das
Auge sucht wonnetrunken nach einem Ruhepunkte, wo es beginnen soll, die Fülle der
von allen Seiten winkenden Herrlichkeiten in sich aufzunehmen. Das Rauschen des
Wasserfalls, der dort der Terrasse gerade gegenüber, am entgegengesetzten Ende
des Gartens, über künstliches Felsgestein sich in das Becken ergiesst, zieht zunächst
unsere Aufmerksamkeit an. Er ist es, der durch das ganze Gebäude die erfrischende
Kühle verbreitet, die uns so wohlthuend umgiebt. Hundert reizende Verse aus dem
Schatze der deutschen Dichtkunst, welche die Poesie der Natur feiern, erwachen in
unserer Erinnerung, und erhobener Stimmung beginnen wir den Rundgang durch die
verschiedenen Abteilungen. Den Kern des Palastes bilden die Rundteile in der
Mitte, um die sich galerieartig die übrigen Blütenhäuser ziehen. Hier streckt
uns die Fächerpalme ihre breitauslaufenden Blätter entgegen, die Dracaena australis
scheint sie mit ihrem schlankanstrebenden Schaft Uberbieten zu wollen, während
edle Nadelbäume mit schläfrig herabhängendem Gezweig träumerisch zur Seite
stehen und hohe marmorne Vasen voll üppiger Blattpflanzen und Schlingge-
wächse die Ecken markieren. Und welch ein buntes Farbengemisch, welch ein
köstlicher Blumenduft erfüllt die Blumengalerien, die längs der Umfassungsmauern
sich hinziehen! Unwillkürlich hebt sich unsere Brust, und in durstigen Zügen saugen
wir den würzigen Atem ein, der aus all den hundert Blumenkelchen uns entgegen-
 
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