Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sieglin, Ernst von; Schreiber, Theodor [Editor]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 1,1): Die Nekropole von Kôm-esch-Schukâfa — Leipzig, 1908

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.27160#0042
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
20

KAPITEL IV

Wenige Jahre nachher — im Frühjahr 1806 — findet Lord Valentia8 die lange
Mulde wieder mit Sand gefüllt und lässt sie aufs neue reinigen. Damals war das Gelände
um die Rennbahn so wenig zerstört, dass es möglich war eine Terrainskizze aufzunehmen,
in welcher die Grundlinien eines grossen, nördlich an das Stadion anschliessenden
Gebäudes sich ziemlich deutlich ausprägen. Man kann ohne die Phantasie allzusehr
anzustrengen, aus den Schuttlinien herauslesen, dass hier ein rechtseitiger, etwa von
Säulenhallen eingefasster, im Inneren offener Hof, vielleicht eine Art von Gymnasion,
gelegen hat, und zwischen ihm und der Rennbahn ein Komplex kleinerer, symmetrisch
geordneter Räume, in welchen man wegen der hier gefundenen Wasserbehälter Bäder
vermuten darf, die unentbehrlichen Requisiten von Gymnasien und Stadien.

Die angrenzenden Höhenzüge werden in den Aufnahmen von Saint-Genis und
Lord Valentia in der Hauptsache übereinstimmend wiedergegeben. Wir sehen, wie sich
der Schukafa-Hügel als breites Plateau vor das Südwestende des Stadions lagert. Aber
von den Gräbern in seinem Inneren hören wir nichts.

Sie bleiben unberührt, bis im Jahre 1858 die Entdeckung des ersten christlichen
Grabes von Köm-esch-Schukafa, der sogenannten Katakombe Weschers, die allgemeine
Aufmerksamkeit auf den Schukafa-Hügel lenkte9. Man fand in einer Kammer an der
einen zu einer Apsis erweiterten Schmalseite der Wand ein Bild des thronenden Christus
umgeben von den Aposteln Andreas und Petrus, daneben zwei Szenen, welche nach
de Rossi die Hochzeit zu Cana und die wunderbare Speisung darstellten. Die an-
schliessenden Wände und eine Nebenkammer zeigten einzelne Figuren: Engel, Propheten
und Apostel, Bilder, welche zum Teil durch Inschriften erläutert wurden und deren Stil
verriet, dass sie zu verschiedenen Zeiten ausgeführt worden waren.

Wir müssen darauf verzichten dieses wichtige, von Wescher zuerst beschriebene,
dann von de Rossi mit eindringender Gelehrsamkeit erläuterte Denkmal genauer zu
untersuchen, denn es ist nicht mehr möglich die Einzelheiten des Grabes an Ort und Stelle
zu prüfen, nachdem die letzten Reste seit Dezennien völlig verschwunden sind. Es ver-
dient aber als ein charakteristischer Fall in der langen Geschichte des Unterganges der
Monumente Alexandriens erwähnt zu werden, dass das von Steinbrechern zufällig ent-
deckte Grab — dank der Aufsicht eines besonderen Wächters, denTeodoro Dalfi10 1865
noch vorfand — einige Zeit ziemlich unversehrt blieb, so dass noch zehn Jahre später
deutliche Reste des Wandschmuckes existierten, die Jean Paul Richter mit dem in
Kapitel V von ihm selbst geschilderten Ergebnis untersuchen und Neroutsos11 ausführlich
beschreiben konnte. Noch bis etwa zum Jahre 1880 hatte die Garnison des in unmittel-
barer Nähe liegenden Forts Köm Hadid das Grab in seinen Schutz genommen. Als die
Wache zurückgezogen wurde, fiel es dem Untergang anheim und schon im Jahre 1892^
als Botti seine Untersuchungen auch hierher lenkte, war jede Spur des Grabes ver-
schwunden und übriggeblieben war nur „un informe avvallamento di terreno“12. Die Stein-
gräber von Alexandrien hatten ihr Zerstörungswerk gründlich verrichtet, und sie zögerten
nicht, es bei der nächsten Gelegenheit zu wiederholen.
 
Annotationen