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Der Creglinger Marienaltar von Tilman Riemenschneider
Eine weitere Möglichkeit einen notwendigen Grund gegen den heutigen Aufstellungsort an-
zuführen, liegt in dem Nachweis, daß der Marienaltar in eine andere Kirche oder Kapelle ge-
hört. Einige Vorschläge in der Forschungsliteratur können sicherlich als unbegründete Speku-
lation unberücksichtigt bleiben. Die Annahme, daß der Marienaltar nach St. Jakob in
Rothenburg gehört, muß aufgrund der vorliegenden Ergebnisse aber neu diskutiert werden.
Im Jahre 1494 verbrannte auf dem der Maria geweihten Laienaltar vor dem Ostchor der
Pfarrkirche St. Jakob zu Rothenburg/T. eine Altartafel, die bei Wohlgemut in Nürnberg be-
stellt und 1481 dort aufgestellt worden war.™ Kurz nach dem Brand finden sich in den Merk-
und Hauptbüchern des Jahres 1496 des Rothenburger Stadtpflegers Zahlungseinträge, die die
Lieferung eines Marienretabels belegen, das von einem „Schnitzer gen wirtzburg“ geliefert
wurde.™ Dieser Marienaltar fehlt, und er wird von einigen Forschern mit dem Creglinger Ma-
rienaltar identifiziert.™ Als einziger Grund gegen die Vermutung, diesen fehlenden Marienal-
tar mit dem Creglinger Altar zu identifizieren, wurde bisher die stilistische Datierung des
Creglinger Retabels in die Jahre 1505-1510 angeführt.™ Aufgrund der Problematik, Riemen-
schneiderscher Bildwerke stilkritisch datieren zu können, ist diese Datierung aber obsolet. Ei-
nige hinreichende Argumente sprechen für den Standort in Rothenburg/T. und müssen über-
prüft werden.
Der Chronist Eisenhart berichtet, daß während einer Predigt von Karlstadt am Osterdiens-
tagabend im Jahre 1525 in St. Jakob „das Kneplein sampt Dyppatep [beide Anhänger Karl-
stadts, Anm. von Bier] unser frawen altar zugelaufen und die bild heraus wollen werfen-
Solchs haben die frummen alten Christen mit gewalt erwert, sy mit gewalt aus der kirchen tri-
ben, sein etlich messer zuckt und entplost worden.“777 Auf diesen Laienaltar, der vor dem Ost-
chor steht und der Maria geweiht ist, wurde dann einige Jahre später 1575 der Heiligblut-Altar
von Tilman Riemenschneider gesetzt, den er in den Jahren 1499-1505 für die Heiligblut'
Kapelle in St. Jakob gefertigt hatte. Der Marienaltar, der 1525 bestürmt aber auch geschützt
wurde, muß in der Zwischenzeit entfernt worden sein. Doch finden sich darüber keine urkund'
liehen Nachrichten, und die Annahme, daß der Marienaltar nach Creglingen gebracht worde11
wäre, um ihn dort vor den Bilderstürmern zu schützen, bleibt bis auf weiteres eine Vermutung-
Bier wendet gegen eine Verlegung des Retabels von Rothenburg/T. nach Creglingen ein, daß
der Transport in fremdes markgräfisches Land aus territorialen Gründen unmöglich gewesen
wäre.™ Diesem Einwand muß jedoch widersprochen werden, denn einerseits müssen die Zeit'
umstände berücksichtig werden, in denen man nicht auf alle territorialen Rechte geachtet ha-
ben wird, und andererseits gab es vielfältige Beziehungen zwischen Rothenburg/T. und Creg'
lingen. So bekam z. B. der einstige Schulmeister des Markgrafen Georg und der seiner BrüdeF
772 Schedelsche Weltchronik, 1493, Verkündigung, Blatt XCIIIv.
773 Bier 1930, S. 7, Anm. 3.
774 Rothenburger Stadtarchiv, Bd. Nr. 360 und 363; - Vgl. auch Schnitzlein 1913, S. 5; Bier 1930, S. 168.
775 Vgl. Adelmann 1898, S. 17; Tönnies 1900, S. 142, Fußnote 1. Zu den Urkunden Schnitzletn 1913, S. 5, 7f.
776 Bier 1926; Bier 1930, S. 8.
777 Zitiert nach Bier 1930, S. 7.
778 Bier 1930, S. 8.
Der Creglinger Marienaltar von Tilman Riemenschneider
Eine weitere Möglichkeit einen notwendigen Grund gegen den heutigen Aufstellungsort an-
zuführen, liegt in dem Nachweis, daß der Marienaltar in eine andere Kirche oder Kapelle ge-
hört. Einige Vorschläge in der Forschungsliteratur können sicherlich als unbegründete Speku-
lation unberücksichtigt bleiben. Die Annahme, daß der Marienaltar nach St. Jakob in
Rothenburg gehört, muß aufgrund der vorliegenden Ergebnisse aber neu diskutiert werden.
Im Jahre 1494 verbrannte auf dem der Maria geweihten Laienaltar vor dem Ostchor der
Pfarrkirche St. Jakob zu Rothenburg/T. eine Altartafel, die bei Wohlgemut in Nürnberg be-
stellt und 1481 dort aufgestellt worden war.™ Kurz nach dem Brand finden sich in den Merk-
und Hauptbüchern des Jahres 1496 des Rothenburger Stadtpflegers Zahlungseinträge, die die
Lieferung eines Marienretabels belegen, das von einem „Schnitzer gen wirtzburg“ geliefert
wurde.™ Dieser Marienaltar fehlt, und er wird von einigen Forschern mit dem Creglinger Ma-
rienaltar identifiziert.™ Als einziger Grund gegen die Vermutung, diesen fehlenden Marienal-
tar mit dem Creglinger Altar zu identifizieren, wurde bisher die stilistische Datierung des
Creglinger Retabels in die Jahre 1505-1510 angeführt.™ Aufgrund der Problematik, Riemen-
schneiderscher Bildwerke stilkritisch datieren zu können, ist diese Datierung aber obsolet. Ei-
nige hinreichende Argumente sprechen für den Standort in Rothenburg/T. und müssen über-
prüft werden.
Der Chronist Eisenhart berichtet, daß während einer Predigt von Karlstadt am Osterdiens-
tagabend im Jahre 1525 in St. Jakob „das Kneplein sampt Dyppatep [beide Anhänger Karl-
stadts, Anm. von Bier] unser frawen altar zugelaufen und die bild heraus wollen werfen-
Solchs haben die frummen alten Christen mit gewalt erwert, sy mit gewalt aus der kirchen tri-
ben, sein etlich messer zuckt und entplost worden.“777 Auf diesen Laienaltar, der vor dem Ost-
chor steht und der Maria geweiht ist, wurde dann einige Jahre später 1575 der Heiligblut-Altar
von Tilman Riemenschneider gesetzt, den er in den Jahren 1499-1505 für die Heiligblut'
Kapelle in St. Jakob gefertigt hatte. Der Marienaltar, der 1525 bestürmt aber auch geschützt
wurde, muß in der Zwischenzeit entfernt worden sein. Doch finden sich darüber keine urkund'
liehen Nachrichten, und die Annahme, daß der Marienaltar nach Creglingen gebracht worde11
wäre, um ihn dort vor den Bilderstürmern zu schützen, bleibt bis auf weiteres eine Vermutung-
Bier wendet gegen eine Verlegung des Retabels von Rothenburg/T. nach Creglingen ein, daß
der Transport in fremdes markgräfisches Land aus territorialen Gründen unmöglich gewesen
wäre.™ Diesem Einwand muß jedoch widersprochen werden, denn einerseits müssen die Zeit'
umstände berücksichtig werden, in denen man nicht auf alle territorialen Rechte geachtet ha-
ben wird, und andererseits gab es vielfältige Beziehungen zwischen Rothenburg/T. und Creg'
lingen. So bekam z. B. der einstige Schulmeister des Markgrafen Georg und der seiner BrüdeF
772 Schedelsche Weltchronik, 1493, Verkündigung, Blatt XCIIIv.
773 Bier 1930, S. 7, Anm. 3.
774 Rothenburger Stadtarchiv, Bd. Nr. 360 und 363; - Vgl. auch Schnitzlein 1913, S. 5; Bier 1930, S. 168.
775 Vgl. Adelmann 1898, S. 17; Tönnies 1900, S. 142, Fußnote 1. Zu den Urkunden Schnitzletn 1913, S. 5, 7f.
776 Bier 1926; Bier 1930, S. 8.
777 Zitiert nach Bier 1930, S. 7.
778 Bier 1930, S. 8.