abhängig empfand, wäre jenem Zeitalter doch undenkbar ge-
wesen: in dem Prozeß, den Philipp der Schöne nach dem
Tode Bonifatius VIII. gegen diesen eröffnete, waren die Sitz-
statuen, welche den Papst mit segnender Rechten darstellten,
ein Argument für die Anklage der Idolatrie.1) Wie die römi-
schen Imperatoren ihr Andenken in Bauwerken verewigten, so
hat die Macht der mittelalterlichen Kaiser in den Domen ihren
Ausdruck gefunden. Daß diese doch dem Dienst Gottes bereitet
waren, ist das Wesentliche. Auch in französischen Kathedralen
befinden sich die Bildnisse von Königen. In Reims sieht man
in den oberen Fenstern zwanzig Könige von Frankreich dar-
gestellt, jeden mit dem Bischof, der ihn gekrönt hat, ohne die
geringste Andeutung individueller Züge. „Ils sont dans l’eglise“,
sagtMäle, „pour rappeler au peuple, que la royaute est d’essence
divine et qu’un roi oint de l’huile saincte est plus qu’un
homme“.2) Damit war aber auch die königliche Würde ganz
in Abhängigkeit von Gott gebracht. — Die gleiche Auffassung
vom Menschen und seiner irdischen Gewalt bezeugt auch die
mittelalterliche Grabmalskunst. Man verewigte die Gestalt des
geistlichen oder weltlichen Herrschers in Stein oder Metall in
der Tracht und mit den Zeichen ihrer — doch überpersönlich
gedachten — Würde. Vor dem 14. Jahrhundert hat man von
der Persönlichkeit des Verstorbenen doch nicht mehr über-
liefert als seinen Namen und sein Geschlecht. Der Gedanke des
Ruhms ist im Mittelalter durchaus ans Jenseits gebunden. Die
Verewigung von Amt, Wirkung und Charakter, die im Indi-
viduum untrennbar sich vereinigen, war damals undenkbar. Un-
sterblich, d. h. vor Gott bestehend war das Amt als göttlicher
Auftrag, die Taten, insofern sie gottgefällig waren, der Mensch
als gottgeschaffene Seele. „Cesare fui e son Giustiniano“
spricht Justinian Dante an.3) Und Papst Hadrian V. weist im
Fegefeuer den Kniefall des Dichters ab: „per vostra dignitate
mia coscienza dritto mi rimorse“ — „conservo sono teco e con
9 Schramm, a. a. O., S. 189 f.
2) E. Male a. a. O. S. 397.
3) Paradiso VI. 10. Vergl. auch „Io fui Montefeltro, io son Buon-
conte“ Purg. V. 88.
47
wesen: in dem Prozeß, den Philipp der Schöne nach dem
Tode Bonifatius VIII. gegen diesen eröffnete, waren die Sitz-
statuen, welche den Papst mit segnender Rechten darstellten,
ein Argument für die Anklage der Idolatrie.1) Wie die römi-
schen Imperatoren ihr Andenken in Bauwerken verewigten, so
hat die Macht der mittelalterlichen Kaiser in den Domen ihren
Ausdruck gefunden. Daß diese doch dem Dienst Gottes bereitet
waren, ist das Wesentliche. Auch in französischen Kathedralen
befinden sich die Bildnisse von Königen. In Reims sieht man
in den oberen Fenstern zwanzig Könige von Frankreich dar-
gestellt, jeden mit dem Bischof, der ihn gekrönt hat, ohne die
geringste Andeutung individueller Züge. „Ils sont dans l’eglise“,
sagtMäle, „pour rappeler au peuple, que la royaute est d’essence
divine et qu’un roi oint de l’huile saincte est plus qu’un
homme“.2) Damit war aber auch die königliche Würde ganz
in Abhängigkeit von Gott gebracht. — Die gleiche Auffassung
vom Menschen und seiner irdischen Gewalt bezeugt auch die
mittelalterliche Grabmalskunst. Man verewigte die Gestalt des
geistlichen oder weltlichen Herrschers in Stein oder Metall in
der Tracht und mit den Zeichen ihrer — doch überpersönlich
gedachten — Würde. Vor dem 14. Jahrhundert hat man von
der Persönlichkeit des Verstorbenen doch nicht mehr über-
liefert als seinen Namen und sein Geschlecht. Der Gedanke des
Ruhms ist im Mittelalter durchaus ans Jenseits gebunden. Die
Verewigung von Amt, Wirkung und Charakter, die im Indi-
viduum untrennbar sich vereinigen, war damals undenkbar. Un-
sterblich, d. h. vor Gott bestehend war das Amt als göttlicher
Auftrag, die Taten, insofern sie gottgefällig waren, der Mensch
als gottgeschaffene Seele. „Cesare fui e son Giustiniano“
spricht Justinian Dante an.3) Und Papst Hadrian V. weist im
Fegefeuer den Kniefall des Dichters ab: „per vostra dignitate
mia coscienza dritto mi rimorse“ — „conservo sono teco e con
9 Schramm, a. a. O., S. 189 f.
2) E. Male a. a. O. S. 397.
3) Paradiso VI. 10. Vergl. auch „Io fui Montefeltro, io son Buon-
conte“ Purg. V. 88.
47