VI. RAFFAEL IN ROM UNTER JULIUS IL
rerstorbenen Piero della Francesca selbstverständlich ganz unmöglich
gewesen, und auch in Bezug auf Luca Signorelli ergeben sich einige
Zweifel, da dieser im August 1508 noch in Cortona sich aufhielt, im
Januar 1509 bereits wieder in Siena weilte. Zum Glücke giebt es noch
einen andern Weg, die unmittelbaren Vorgänger Raffael's in den vaticani-
schen Stanzen zu erfahren.*) Rafsael liess, als ihm das grosse Werk über-
tragen wurde, aus Pietät einzelne Proben ihrer Leistungen bestehen. Er
schonte die Deckenbilder oder doch wenigstens die Eintheilung und den
Schmuck der kleinen Felder, welche diese an den Decken angeordnet
hatten. So lernen wir Rasfael's Lehrer Pietro Perugino und den Sieneser
Bazzi, genannt Sodoma, als die Künstler kennen, welche unmittelbar vor
Rafsael mit der Ausmalung der Stanzen betraut waren, und denen er
sich zunächst anschloss.
Dieser ganze Hergang der Sache ist natürlich und einfach genug.
Weit entfernt, dass Rassael's Eintritt in den römischen Kunstkreis befrem-
den könnte oder einer rechtfertigenden Erklärung bedürfte, möchte viel-
mehr sein Wegbleiben aus demselben räthselhaft erscheinen und zu mannig-
fachem Grübeln aufsordern. In Florenz und Perugia hatte er bisher seine
Hauptkundschaft gefunden. Das hörte in Folge der Kriegsstürme, die
über Ober- und Mittelitalien zogen und den Bestand so mancher alten
Herrschaft in Frage stellten, jetzt auf. Von mehreren Künstlern erfahren
wir in diesen Jahren, dass sie zum Wanderstabe greifen mussten und nur
mit Mühe lohnende Beschäftigung fanden. Rasfael war nicht verwöhnt.
Eine einzige grössere Frescoarbeit war ihm bisher übertragen worden,
ein einziges umfangreiches Stafseleibild hatte er in der letzten Zeit voll-
endet. Dass er Arbeit suchte, lehrt sein Brief an den Oheim Ciaria, im
April 1508 geschrieben. Nun hatte sich für alle strebenden Künstler in
Rom eine glänzende Aussicht erösfnet. Grossartige Bauten waren be-
gonnen, für eine Prachtstrasse, von den glänzendsten Palästen eingesäumt,
lagen Pläne vor. Dem Beispiele des baulustigen Papstes folgten Cardinäle,
römische Grosse, reichgewordene Bürger. Der Gräberluxus lockte die
Thätigkeit der Bildhauer, welche überdies durch die aufgefundenen und
im Garten des Vatican aufgestellten antiken Sculpturen sich unwiderstehlich
nach Rom gezogen fühlten. Vollends den Malern Toscana's und Umbriens
war Rom seit den Tagen Sixtus' IV. eine freundliche Heimath geworden.
Noch glänzendere Zeiten standen bevor. Wenn selbst aus dem fernen
Venedig Sebashan del Piombo von dem Rufe Roms angezogen herüber-
*) Der Papst übersiedelte im Nov.
1507 in das obere Stockwerk. Nahm
erst dann die Decoration der Stanzen
den Anfang?
rerstorbenen Piero della Francesca selbstverständlich ganz unmöglich
gewesen, und auch in Bezug auf Luca Signorelli ergeben sich einige
Zweifel, da dieser im August 1508 noch in Cortona sich aufhielt, im
Januar 1509 bereits wieder in Siena weilte. Zum Glücke giebt es noch
einen andern Weg, die unmittelbaren Vorgänger Raffael's in den vaticani-
schen Stanzen zu erfahren.*) Rafsael liess, als ihm das grosse Werk über-
tragen wurde, aus Pietät einzelne Proben ihrer Leistungen bestehen. Er
schonte die Deckenbilder oder doch wenigstens die Eintheilung und den
Schmuck der kleinen Felder, welche diese an den Decken angeordnet
hatten. So lernen wir Rasfael's Lehrer Pietro Perugino und den Sieneser
Bazzi, genannt Sodoma, als die Künstler kennen, welche unmittelbar vor
Rafsael mit der Ausmalung der Stanzen betraut waren, und denen er
sich zunächst anschloss.
Dieser ganze Hergang der Sache ist natürlich und einfach genug.
Weit entfernt, dass Rassael's Eintritt in den römischen Kunstkreis befrem-
den könnte oder einer rechtfertigenden Erklärung bedürfte, möchte viel-
mehr sein Wegbleiben aus demselben räthselhaft erscheinen und zu mannig-
fachem Grübeln aufsordern. In Florenz und Perugia hatte er bisher seine
Hauptkundschaft gefunden. Das hörte in Folge der Kriegsstürme, die
über Ober- und Mittelitalien zogen und den Bestand so mancher alten
Herrschaft in Frage stellten, jetzt auf. Von mehreren Künstlern erfahren
wir in diesen Jahren, dass sie zum Wanderstabe greifen mussten und nur
mit Mühe lohnende Beschäftigung fanden. Rasfael war nicht verwöhnt.
Eine einzige grössere Frescoarbeit war ihm bisher übertragen worden,
ein einziges umfangreiches Stafseleibild hatte er in der letzten Zeit voll-
endet. Dass er Arbeit suchte, lehrt sein Brief an den Oheim Ciaria, im
April 1508 geschrieben. Nun hatte sich für alle strebenden Künstler in
Rom eine glänzende Aussicht erösfnet. Grossartige Bauten waren be-
gonnen, für eine Prachtstrasse, von den glänzendsten Palästen eingesäumt,
lagen Pläne vor. Dem Beispiele des baulustigen Papstes folgten Cardinäle,
römische Grosse, reichgewordene Bürger. Der Gräberluxus lockte die
Thätigkeit der Bildhauer, welche überdies durch die aufgefundenen und
im Garten des Vatican aufgestellten antiken Sculpturen sich unwiderstehlich
nach Rom gezogen fühlten. Vollends den Malern Toscana's und Umbriens
war Rom seit den Tagen Sixtus' IV. eine freundliche Heimath geworden.
Noch glänzendere Zeiten standen bevor. Wenn selbst aus dem fernen
Venedig Sebashan del Piombo von dem Rufe Roms angezogen herüber-
*) Der Papst übersiedelte im Nov.
1507 in das obere Stockwerk. Nahm
erst dann die Decoration der Stanzen
den Anfang?