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VII. DIE STANZA D'ELIODORO.

stein in der Geschichte Raffael's wie auch Michelangelos bezeichnet
werden. Julius II. brachte beide Männer in die Höhe; durch die von
ihm aufgetragenen Werke gelangten sie erst zu voller Kraft und zur
Erkenntniss ihrer Natur und ihrer Stärke. Man vergleiche Michelangelos
Arbeiten während seines ersten Aufenthaltes in Rom (1496—1501) mit
den Werken, welche er unter der Regierung Julius' IL schuf. Gewiss
zeigen auch die Sculpturen der älteren Periode die künsllerische Meister-
schaft des Mannes; aber den wahren Michelangelo, wie er in der Er-
innerung der Nachwelt lebt, führen uns doch erst die Fresken in der
Sixtinischen Kapelle vor das Auge. Und vollends, was haben nicht die
unter Julius II. verlebten römischen Jahre aus Rafsael gemacht! Ihm war
es nicht allein vergönnt, den schönsten historischen Träumen der Mensch-
heit ein Denkmal zu setzen und Gedanken künstlerisch zu verherrlichen, die
schon durch ihren Inhalt die Phantasie auf das Höchste spannen und dem
Maler begeisterte Lust zu schaffen einflössen; er durfte auch alle Anlagen
gleichmässig ausbilden ohne Gefahr der Einseitigkeit, ohne die Sorge der
Uebertreibung. Das dankte er zunächst seiner Natur, dann aber auch
den ihm gestellten Aufgaben, die allumfassend waren, nach allen Rich-
tungen hin anregend wirkten. Und so ist denn auch in der Vertreibung
Heliodor's oder in der Madonna della Sedia nicht das eine oder das
andere, was besonders vollendet erscheint und reizt und fesselt. Es be-
ruht vielmehr der Eindruck auf dem harmonischen Zusammenklange aller
Kunstmittel.
Soweit sind Rafsael und Michelangelo unter dem Pontificate Julius' II
gekommen. Die nachfolgende Zeit wird uns die Entfaltung einer viel-
leicht noch glänzenderen und reicheren Thätigkeit zeigen; die über-
raschende Grösse der römischen Kunst unter Julius IL besitzt sie nicht.
Die Jahre 1508 bis 1513, in welchen Bramante am S. Peter baute,
Michelangelo die Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle schuf und
Rasfael die zwei ersten Stanzen malte, sind und bleiben das Heldenalter
unserer Kunst.
 
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