Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0038
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
18

Erster Abschnitt: 1750—1819.


20. Teil des Alexanderzuges, von B. Thorwaldsen. Villa Colonna am Comer See.

nügte sie doch kaum für die immer zahlreicheren Bestellungen. Beinahe von allen größeren
Werken des Meisters wurden Wiederholungen begehrt, die er natürlich den Schülern über-
wies. Seine Kunstweise selbst erfuhr in den späteren Jahren kaum einen nennenswerten
Wechsel, wenn auch der Stoffkreis sich fortwährend erweiterte. Die wahre Heimat blieb ihm die
antike Welt; das Reich, das er unbedingt beherrschte und aus tiefem Verfall zu einer glänzenden
Blüte erhob, war die Reliefkunst. Er Verbannte aus ihr die malerischen Elemente, die sich feit
Jahrhunderten in sie eingeschmuggelt hatten, die perspektivische Vertiefung, die Masse des natür-
lichen Beiwerks, die Mischung verschiedener Ansichten der Figuren, und führte die Einfachheit
des griechischen, durch Schönheit und Geschlossenheit der Linien wirksamen Stils wieder ein.
Es gehörte Thorwaldsens naive Natur dazu, die Reize dieses freiwillig eingeschränkten Relief-
stils zu erfassen und ihm die frische Ursprünglichkeit einzuhauchen. Das ausgedehnteste Werk
dieser Gattung schuf er in seinem Alexanderzuge (Abb. 20). Noch ungleich berühmter sind die
beiden Rundreliefs: der Tag und die Nacht (Abb. 21 u. 22), ebenso sinnig im Gedanken wie
vollendet in der dem Rund sich frei anschmiege-nden Komposition, ferner die Jahreszeiten und
das friesartige Relief „Die Alter der Liebe". In der Schilderung der süßen Gewalt Amors,
in der heiteren Verkörperung anakreontischer Gedichte war Thorwaldsen geradezu unerschöpflich.
Sein weniger ans das Pathetische und Leidenschaftliche als auf das Ruhig-Anmutige gerichteter
Sinn erklärt seine Vorliebe für die Darstellung idealer Frauengestalten, wie der drei Grazien,
der Venus, Psyche, Hebe u. a. Entbehren sie auch des lockenden sinnlichen Reizes, der Canovas
Frauenbilder auszeichnet, so besitzen sie dafür den Vorzug, daß sie das Unnahbare, Reine echter
Frauenschönheit besser ausprägen, dem antiken Charakter dadurch näher kommen. Weniger frei


21 u. 22. Tag und Nacht, von B. Thorwaldsen.
 
Annotationen